© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/12 14. Dezmber 2012

Verantwortung in der Politik
Gesellschaft ohne Haftung
Rolf Dressler

Die unfaßbar abenteuerliche Euro-Rettungsschirmindustrie floriert. An ihren Schalthebeln aber sitzen reihum finanz- und wirtschaftsfachlich zumeist gänzlich ungelernte Polit-„Manager“ von eigenen Gnaden. Doch niemand nimmt Politiker je in Haftung für ihr Tun und Treiben, selbst wenn die Gemeinschädlichkeit offen auf der Hand liegt.

Krasses Beispiel: das Verschleudern und Versenken von Abermilliarden, ja, sogar schon Billionen kostbarer Steuergelder, die niemand anderer als zuvorderst die deutschen Bürger dem Staat zugeführt haben – Jahr um Jahr in neuen Rekordhöhen, jüngst mehr als 610 Milliarden Euro, was sage und schreibe gut einer Billion guter, alter D-Mark entspräche ... Auf schwindelerregende 2,2 Billionen gegenüber 900 Milliarden zum Ende der Regentschaft Gerhard Schröders verdreifachte sich Deutschlands Staatsschuldenlast während der nur knapp achtjährigen Kanzlerschaft Angela Merkels und deren Mitstreitern und Brüdern im Geiste, Peer Steinbrück und Wolfgang Schäuble. Zuzüglich „unserer“ höchstens annähernd zu schätzenden, weil tunlichst verschleierten Euro-Rettungsschirm-Zwangsverpflichtungen, die sich inzwischen bereits auf eine bis 1,2 Billionen Euro belaufen dürften.

Die herrschende Politikerkaste schwadroniert gern über „Verantwortlichkeit“ und „Verantwortung“. Legt aber doch einmal jemand den Finger auf eben diesen besonders offenkundigen Systemfehler unseres Parlamentarismus, dann heißt es sofort: Einem Politikschaffenden werde kaum je nachzuweisen sein, daß er diese oder jene gemeinschädliche Entscheidung vorsätzlich getroffen habe; zudem würden interessierte Bürger doch nur davon abgeschreckt, politische Funktionen zu übernehmen.

Also bleibt es wohl dabei: Wer im Politikgeschäft volks- und gemeinwesenschädlich agiert, braucht weder eine zivil- noch gar strafrechtliche Anklage zu fürchten. Schlimmstenfalls riskiert er seine Wiederwahl – und damit oftmals sehr einkömmliche Pfründe.

Apropos Rechenschaft: Die Mitarbeiter der Rettungsschirm-Behörde unterliegen keiner Gerichtsbarkeit und genießen obendrein lebenslange Immunität. Kurzum, auch das Monstrum ESM ist eine Gesellschaft mit unbegrenzter Nicht-Haftung. Toll. Toller. Tollhaus.

 

Rolf Dressler war langjähriger Chefredakteur beim „West­falen-Blatt“ in Bielefeld und ist nun freier Journalist.

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