© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  51/12 14. Dezmber 2012

Eine Partei als Popanz
Die NPD ist ohnehin fast am Ende. Das Verbotsverfahren soll von echten politischen Problemen ablenken
Thorsten Hinz

Das angestrengte Verbotsverfahren gegen die NPD ist ein Paradebeispiel politischen Scheinhandelns und magischer Politik. Während die wirklichen Probleme sich unerledigt stapeln, sucht die politisch-mediale Klasse den Eindruck zu erwecken, die kleine rechtsextreme Partei stünde vor den Toren der Macht.

In Wahrheit tendieren die Aussichten der NPD, politisch Erfolg zu haben, gegen Null. Das liegt zum einen an ihren strukturellen Defiziten und taktischen Fehlern. Wer sich einen Spitzenmann leistet wie den langjährigen Parteichef Udo Voigt, der Adolf Hitler historische Größe zuerkennt – als sei die ohne ein moralisches Minimum möglich – und auf Wahlplakaten ein anzüglich-augenzwinkerndes „Gas geben“ verspricht, hat sich als Alternative zum herrschenden Parteiensystem erledigt.

Gerechterweise muß man hinzufügen, daß der NPD keine Atempause gegönnt wurde, um sich inhaltlich und personell zu konsolidieren und als ebenso radikale wie solide politische Kraft in Stellung zu bringen. Für das, was der Staat und die sogenannte Zivilgesellschaft gegen die Mitglieder und das Führungspersonal dieser Partei in Gang setzen, taugt der Begriff „Ausgrenzung“ nicht mehr. Es handelt sich um Psycho-, mitunter auch physischen Terror inklusive Sippenhaft. Schwer wiegt zudem die Unterwanderung durch V-Leute, die jede konstruktive Arbeit unterminiert. Noch der selbstloseste Idealist resigniert schließlich, wenn er stets einkalkulieren muß, daß falsche Parteifreunde sein Handeln durch Denunziation, Vertauensbruch und Sabotage untergraben und damit sinnlos machen. Zurück bleibt eine Versammlung spinnerter Sektierer. Wenn die Politik jetzt Zeit und Energie darauf verwendet, dem kollabierenden Zwerg eine riesenhafte Gefährlichkeit nachzuweisen, schlägt sie den Popanz, den sie selber erschaffen hat.

Das angestrebte NPD-Verbot ist eine Ersatzhandlung: Dieselben Politiker, die der Gesetzlosigkeit in von Ausländergruppen dominierten Ballungsräumen hilflos zuschauen, wollen an einem Scheinproblem ihre ungebrochene Handlungskompetenz demonstrieren.

Der Vorgang besitzt zudem einen magischen Impuls: Statt die argumentative Auseinandersetzung mit der NPD zu suchen, wird sie mit zivilreligiösem Furor dämonisiert, um hinterher den Dämon als Verkörperung des Bösen auszutreiben. Die Partei fungiert als Sündenbock, auf den die etablierte Politik die Schande ihres Versagens ablädt.

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) ahnt wohl den Zusammenhang, wenn er eine Beteiligung des Parlaments am Verfahren ablehnt und meint, der Beschluß der Länder sei „nicht durchdacht“ und lediglich ein „Reflex“ auf die mutmaßlich vom „Nationalsozialistischen Untergrund“ begangenen Morde. Bei denen sind freilich längst nicht alle Details unbezweifelbare Tatsache. Ungewollt enthüllt Lammert hier ein zusätzliches Motiv für den Theaterdonner um die NPD: Er soll präventiv von einer möglichen Pleite des geplanten Prozesses gegen die mutmaßliche Zwickauer Terrorzelle ablenken.

Die Rationalität, welche die vordergründige Irrationalität der Anti-NPD-Kampagne durchwirkt, erschließt sich erst vollständig, wenn man sie im Zusammenhang mit der Euro-Schulden-Krise betrachtet. Allmählich werden die ersten Milliarden-Rechnungen fällig. Das Vabanquespiel mit der Gemeinschaftswährung, in das die Deutschen von ihren Politikern getrieben wurden, geht verloren. Ihr Vermögen wird sukzessive verschleudert, die künftigen Generationen befinden sich längst in Schuldhaftung für andere Länder.

Unsere Politiker sind schon keine Akteure mehr in dem Billionenspiel, sondern Getriebene. Zwar hat das amerikanische Wirtschaftsmagazin Forbes die Kanzlerin erneut zur mächtigsten Frau der Welt erklärt, übertroffen nur vom Präsidenten der Vereinigten Staaten, doch klingt das eher wie eine Drohung an Merkel, vom Tugendpfad der teuren Euro-Rettung keinesfalls abzuweichen. Die Kanzlerin verfügt in Wahrheit ja nicht einmal über genügend Macht, um die deutschen Goldbestände in Augenschein zu nehmen, die – wahrscheinlich bloß noch virtuell – unter dem Straßenpflaster von New York lagern.

Was bedeutet da der Vorwurf, die NPD sei „verfassungswidrig“? Das Grundgesetz ist zigmal abgeändert worden und wird jeden Tag von der Bundesregierung, von Brüssel und der internationalen Finanzindustrie aufs neue durchlöchert, zerdehnt, verhöhnt.

Der permanente Rettungsschirm ESM bedroht Demokratie, Freiheit und Eigentum in Deutschland viel mehr, als die NPD das beim schlechtesten Willen jemals könnte. Die Volkssouveränität wird an sinistre Instanzen verhökert unter der treuherzigen Versicherung, der Kompetenztransfer sei durch das Grundgesetz geradezu geboten. Die das behaupten, geben unwissentlich der Befürchtung des SPD-Politikers Carlo Schmid (1896–1979) recht, ein unter Fremdaufsicht verabschiedetes Grundgesetz könne lediglich eine „Modalität der Fremdherrschaft“ formulieren.

Verfassungstreue hieße demnach für den deutschen Michel, mit den Händen an der Hosennaht seiner Ausplünderung und politischen Verwesung freudig zuzustimmen. Die politisch-mediale Klasse stört sich nicht daran. Entweder durchschaut sie die Sachlage nicht oder sie unterwirft sich ihr, weil das die Voraussetzung für persönliche Karrieren ist. Bei allen Defiziten ist die NPD bisher die – leider – einzige parlamentarische Kraft, die dagegen prinzipiellen Widerspruch erhebt.

Der würde mit dem Parteiverbot gleich mit unter das Verdikt der politischen Kriminalität fallen. Nur aus diesem volkspädagogischen Grund soll die Partei verschwinden.

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