© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/12 07. Dezmber 2012

„Größter Schwachsinn aller Zeiten“
Euro-Finanzmarkt: Milliardenkosten durch Vereinheitlichung des elektronischen Zahlungsverkehrs / Hohe Hürden für kleine Vereine
Christian Schreiber

Es war ein grauer Novembertag, im Reichstag machte sich bereits Feierabendstimmung breit. Nur noch wenige Bundestagsabgeordnete waren anwesend, als ein Gesetz verabschiedet wurde, das weitreichende Folgen für Firmen, Vereine und letztlich alle Bürger haben wird. Das Zauberwort heißt Sepa (Single European Payments Area). Der „Einheitliche Euro-Zahlungsverkehrsraum“ ist die Erweiterung des Vereinheitlichungsprozesses in der EU.

Hinter dem kurzen Wort versteckt sich eine weitreichende Änderung. Das in Deutschland favorisierte Lastschriftverfahren wird abgeschafft. Sepa gilt für alle EU-Staaten plus Island, Liechtenstein, Monaco, Norwegen und die Schweiz. Die als Steuerparadiese bekannten Inseln Jersey, Guernsey und Isle of Man sowie die Färöer und Grönland bleiben außen vor. Vom 1. Februar 2014 an gibt es im Sepa-Gebiet keine unterschiedlichen Überweisungen für In- und Ausland mehr.

Die EU hat Sepa bereits im Rahmen des Lissabon-Vertrages als Ergänzung zum Euro geschaffen, um den Zahlungsverkehr zu „harmonisieren“. Doch dahinter versteckt sich ein bürokratisches Monster, welches vor allem viel Geld kosten wird. Denn die bisherige deutsche Einzugsermächtigung wird durch das Sepa-Lastschriftverfahren ersetzt. Nur bisher schriftlich erteilte Einzugsermächtigungen werden automatisch umgewandelt, denn die Sepa-Lastschrift muß zwingend schriftlich erteilt werden. Nach der Verordnung müssen Bankkunden ab Februar 2014 für alle Lastschriften und Überweisungen internationale Kontonummern mit 22 Stellen (Iban) verwenden. Die Iban besteht aus einem Ländercode (für Deutschland: DE) und einer zweistelligen Prüfziffer. Danach folgen die bekannte Bankleitzahl und die vertraute Kontonummer. Im Gegenzug fällt die bisherige deutsche Bankleitzahl und europäische Bankleitzahl BIC weg.

Immerhin hat Deutschland darauf gedrängt, daß bestehende Lastschriften übernommen werden können, sofern sie schriftlich erteilt worden sind. Beim Lastschriftverfahren sind künftig aber Ermächtigungen gegenüber der Bank und dem Gläubiger erforderlich – schriftlich natürlich, um kriminellem Mißbrauch, der sicher nicht ausbleibt, vorzubeugen. Dies sorgt für Verwirrung vor allem beim Internethandel. „Es wird die Zeit kommen, in der alternative Zahlungsmittel blühen werden“, unkte bereits ein Finanzdienstleister im Wall Street Journal. Denn für eine Einzugsermächtigung muß der Kontoinhaber künftig ein sogenanntes Mandat erteilen, in dem er den Zahlungsempfänger zum Einzug des Geldes berechtigt und seiner Bank den Auftrag erteilt, den Einzugsanspruch einzulösen. Telefonisch oder per E-Post können diese Einwilligungen nicht mehr erteilt werden.

Das trifft nicht nur Amazon, Otto & Co., sondern etwa auch die Bahn, die bisher elektronisch zum Geldeinzug für Fahrkarten ermächtigt werden konnten. Experten glauben, daß daher künftig noch mehr über Kreditkarte oder per Rechnung bezahlt wird. Das freut Mastercard und Visa, ist aber für den Handel wegen hoher Gebühren teuerer, der Versand per Rechnung führt zu spürbar mehr Rücksendungen. Und es wird noch komplizierter. Der Geldempfänger steht nämlich künftig in der Pflicht, dem Zahlungspflichtigen innerhalb von 14 Tagen mitzuteilen, daß er von seinem Konto einen bestimmten Betrag abbuchen wird. Damit soll dem Kontoinhaber die Möglichkeit gegeben werden, vor der Abbuchung sein Konto entsprechend aufzufüllen, um Rückbuchungen zu verhindern.

Dies ist für Firmen, die monatlich den gleichen Betrag abbuchen, noch recht unproblematisch. Ihnen reicht es, wenn sie den Kunden einmal pro Jahr darauf hinweisen, daß sie an einem bestimmten Tag den Betrag X abbuchen. Doch was ist mit Telefonanbietern, die unterschiedlich hohe Rechnungen stellen? Sie müssen künftig monatlich neu mitteilen, welchen Betrag sie in 14 Tagen abbuchen werden. Die Mitteilung kann per Brief, E-Mail oder SMS erfolgen, muß aber schriftlich sein. Die 14-Tages-Frist darf über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf jede andere Frist verkürzt werden, die es dem Kontoinhaber noch ermöglicht, bis zum Abbuchungstag sein Konto entsprechend aufzufüllen. Da ist Chaos vorprogrammiert, die Telekom geht davon aus, daß sie die Umstellung Millionenbeträge kosten wird. Und man muß kein Prophet sein, um vorherzusagen, daß diese Kosten letztlich wieder beim Verbraucher landen werden.

Eine regelrechte Katastrophe ist Sepa auch für Vereine, in denen ehrenamtliche Schatzmeister arbeiten. Die Bundesbank warnte daher bereits davor, den Umstellungsprozeß zu unterschätzen. Zu den notwendigen Schritten gehört, bei der Bundesbank eine Gläubiger­identifikationsnummer zu beantragen. Auch die 22stellige Iban müsse von den Vereinen bei den Mitgliedern abgefragt werden. Die Bundesbank empfiehlt, rechtzeitig externe Berater zu engagieren.

Diese werden Spendenorganisationen wenig nutzen. 90 Prozent der Spenden für wohltätige Zwecke werden derzeit online ohne Einzugsermächtigung abgewickelt. Damit soll es ebenfalls vorbei sein. Der Deutsche Fundraising Verband appelliert an die Gesetzgeber, die Beschlüsse noch einmal zu überdenken. Schließlich hatte der Vorsitzende des Europaausschusses, Gunther Krichbaum (CDU), Sepa und Iban noch vor wenigen Monaten als den „größten Schwachsinn aller Zeiten“ bezeichnet.

Offizielle Informationen zur IBAN-Kontonummer und zum SEPA-Lastschriftverfahren: www.bundesbank.de

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen