© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/12 07. Dezmber 2012

Ein Rucksack voller Fragezeichen
„Nationalsozialistischer Untergrund“: Das Ende von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt in Eisenach ist bis heute nicht restlos geklärt
Felix Krautkrämer

Nach wie vor existieren im Fall der Zwickauer Terrorzelle zahlreiche Fragezeichen. Während sich Untersuchungsausschüsse und Medien in den vergangenen Monaten vor allem auf die Rolle der Sicherheitsbehörden und deren mögliches Versagen bei der Fahndung nach Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe konzentrierten, bleibt das Ende der mutmaßlichen Terrorzelle (JF 29/12) bis heute rätselhaft.

Warum schossen Mundlos und Böhnhardt nicht auf die zwei Polizisten, die sich am 4. November 2011 ihrem Wohnmobil in Eisenach näherten? Immerhin hatten sie drei Pistolen, zwei Revolver, zwei Pumpguns und eine Maschinenpistole bei sich. Tötete Mundlos Böhnhardt, bevor er sich selbst richtete im Streit oder einvernehmlich? Warum hatten die beiden die Dienstwaffe der 2007 getöteten Polizistin Michèle Kiesewetter mitgenommen? Ihnen mußte doch klar gewesen sein, daß sie – sollte etwas schieflaufen – sofort mit der Tat in Verbindung gebracht würden. Warum hatten sie mehr als 23.000 Euro, teilweise noch mit Banderolen versehen, in ihr gemietetes Tatfahrzeug gepackt, die aus einem Überfall stammten, den die beiden knapp zwei Monate zuvor im thüringischen Arnstadt begangen haben sollen? Fühlten sich Mundlos und Böhnhardt dermaßen sicher oder waren sie einfach nur leichtsinnig? Gegen letzteres spricht allerdings, daß sie über 13 Jahre lang trotz der ihnen zur Last gelegten schwersten Verbrechen völlig unerkannt blieben.

In der vergangenen Woche sorgte ein Artikel des Journalisten Andreas Förster für zusätzliche Fragen. Unter Berufung auf Ermittlungsakten berichtete Förster, die Polizei habe am Tag nach dem Tod der beiden in dem ausgebrannten Wohnmobil auch einen Rucksack sichergestellt. Dieser wies aber trotz des Feuers keine Schmutzspuren auf – anders als das Bett, auf dem er gefunden wurde. Dort waren Spuren des Brandes zu sehen, die offenbar von einem geschmolzenen Plexiglasfenster stammten.

Der Rucksack enthielt Geld aus dem Banküberfall in Arnstadt vom 7. September 2011 und mehrere Patronenpackungen, wie am 5. November protokolliert wurde. Die sechs DVDs mit dem mutmaßlichen Bekennervideo des NSU sind dagegen nicht dokumentiert. Diese entdeckten Polizisten erst einen Monat später, am 1. Dezember, in einer Innentasche des Rucksacks. Hatten die Ermittler das Gepäckstück zuvor nur so oberflächlich durchsucht, daß sie die DVDs übersehen konnten, obwohl der Rucksack den mutmaßlichen Mördern einer Kollegin gehörte?

Die Bundesanwaltschaft bestätigte gegenüber der JUNGEN FREIHEIT den Vorgang. Laut dem Sprecher der Behörde gebe es hierfür aber eine Erklärung: Während Geld und Patronen bei einer ersten Sichtung des Rucksacks gefunden wurden, seien die DVDs erst im Zuge der von der Bundesanwaltschaft zu einem späteren Zeitpunkt angeordneten fotografischen Dokumentation der Beweisstücke aus dem Wohnmobil entdeckt worden. Die Karlsruher Behörde hatte am 11. November die Ermittlungen übernommen, nachdem im Schutt der früheren Wohnung des Trios in Zwickau Hinweise, darunter ein Exemplar des NSU-Videos, gefunden worden waren, die auf einen rechtsextremistischen Hintergrund der Mordserie hindeuteten.

Auf eine weitere Frage hat die Bundesanwaltschaft dagegen bis heute keine Antwort: Etwa drei Stunden nach dem Tod ihrer mutmaßlichen Komplizen soll Zschäpe die gemeinsame Wohnung in Zwickau in Brand gesteckt haben. Wie genau sie von den Geschehnissen in Eisenach erfuhr, können die Ermittler bislang nicht sagen. Einen Anruf von Mundlos oder Böhnhardt erhielt sie offenbar nicht. In der Prüfung von Zschäpes Haftbeschwerde hieß es seitens des Bundesgerichtshofs hierzu nur, sie sei von den Ereignissen „auf unbekanntem Wege in Kenntnis gesetzt“ worden.

Laut der Bundesanwaltschaft wußten die Ermittler bereits am Abend des 4. November, daß ein Zusammenhang zwischen den toten Bankräubern in Eisenach und der abgebrannten Zwickauer Wohnung, in der das Trio unter falschen Identitäten gelebt hatte, besteht. Zschäpe befand sich zu diesem Zeitpunkt noch auf der Flucht. Einzelheiten hierzu wollte der Sprecher der Behörde jedoch nicht nennen.

Foto: In diesem Wohnmobil starben Böhnhardt und Mundlos: Warum schossen sie nicht auf die Polizisten?

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