© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  50/12 07. Dezmber 2012

Mach es besser, Peer
Parteitag I: Die SPD hofft in Hannover auf einen Neustart
Christian Schreiber

Für den Parteienforscher Gerd Langguth ist die Sache klar: Fehlstart. Dabei ist das Rennen eigentlich noch gar nicht eröffnet. Am Sonntag erst will die SPD in Hannover den ehemaligen Bundesfinanzminister Peer Steinbrück offiziell zu ihrem Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl im kommenden Jahr küren.

Es gab kaum einen Wahlkampfauftakt in der Geschichte der Bundesrepublik, der unter so schlechten Voraussetzungen stattfand. „Genosse gierig“ oder „Genosse Raffzahn“ hat der Boulevard den designierten Herausforderer von Kanzlerin Angela Merkel bereits genannt. Dabei sollte es der große Überraschungsangriff der Sozialdemokraten werden. Viel früher als geplant erklärte Parteichef Sigmar Gabriel Ende September, daß Steinbrück ins Rennen gehen werde. Im Zeichen von Euro-Krise und Rettungsschirmen galt der kühle hanseatische Finanzmann als optimale Wahl auch innerhalb der Partei. Wieder macht das Gespräch vom Troika-Konzept die Runde. Steinbrück als Kanzlerkandidat, Gabriel für das soziale Gewissen in der Partei sowie Ex-Außenminister und Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier als Staatsmann – man fühlte sich gewappnet für den Sturm aufs Kanzleramt.

Doch dieser Plan ging gründlich daneben. Steinbrück war sich nicht darüber im klaren, daß er nicht mehr Hinterbänkler, sondern Herausforderer ist. Der Offenlegung seiner privaten Nebeneinkünfte stimmte er erst nach peinlichem Ringen zu, sie lagen weit über seinen Abgeordneten-Diäten. Dies ist denkbar schlecht für eine Partei, die eigentlich mit dem Schlachtruf „Soziale Gerechtigkeit“ in den Wahlkampf ziehen wollte. Und es sollte noch schlimmer kommen. Dann mußte auch noch der Unternehmer und Buchautor Roman Maria Koidl als Online-Berater Steinbrücks zurücktreten, nachdem seine Beratertätigkeit für zwei Hedgefonds bekannt wurde. Seitdem ist das Murren der Parteibasis groß. In allen Umfragen hängen die Sozialdemokraten bei 30 Prozent fest, das angestrebte rot-grüne Bündnis scheint sich bereits jetzt als Illusion zu entpuppen.

Und Steinbrück entpuppt sich nicht gerade als Diplomat. Während Parteichef Gabriel darum bemüht war, die Grünen bei Laune zu halten – schließlich fürchtet die SPD nichts mehr als ein schwarz-grünes Bündnis –, ätzte Steinbruck: „Natürlich soll man in einer Koalition fair miteinander umgehen, aber es wird auch um politische Gewichte gehen. Eine Partei, die doppelt so viele Stimmen oder noch mehr als der kleinere Partner erzielt, wird es nicht an Selbstbewußtsein fehlen lassen.“ Bei den Grünen hält sich die Begeisterung daher in engen Grenzen. „Steinbrück wählt sich selbst raus“, sagte die Vorsitzende Claudia Roth vor einigen Wochen.

Vom Parteitag in Hannover erwarten führende Sozialdemokraten nun eine inhaltliche Neuaufstellung. Unbestritten ist Steinbrücks wirtschaftliche Kompetenz, allerdings folgt die größte Oppositionspartei strikt dem Europa-Kurs der Kanzlerin. „Verantwortungsbewußt“ nennt es Steinbrück, „einfallslos“ nennen es Parteifunktionäre. Der Spiegel zitiert Mitglieder der SPD-Fraktion mit den Worten: „Manchmal hat man den Eindruck, daß wir Juniorpartner der CDU sind.“ Und: „Nur mit Krisenmanagement gewinnt man nichts. Es wäre schön, wenn wir mal wieder punkten können.“

Die Meßlatte für Peer Steinbrücks Auftritt in Hannover liegt somit hoch. Nur eine fulminante Parteitagsrede, nur ein Frontalangriff auf die Kanzlerin wird ihn in die Spur zurückbringen können. Doch der Niedersachse gilt als beratungsresistent und nicht bereit, sich zu verändern. Seinen Stil will er daher – etwa mit Blick auf schwache Umfragewerte bei Frauen – nicht ändern. Möglicherweise wirke er zu kopfgesteuert und wenig emotional. „Ich werde jetzt nicht zum Kuschel-Peer, in der Rolle wäre ich doch völlig unglaubwürdig“, sagte er der Welt. Sein Intimfeind Oskar Lafontaine erhofft sich daher Zulauf für seine arg ins Abseitz geratene Linkspartei. „Steinbrück ist der beste Wahlkämpfer, den Merkel und wir uns wünschen können“, höhnte der Saarländer unlängst. Der SPD-Herausforderer setzt unterdessen alles auf eine Karte: „Ich werde sicher nicht mehr unter einer Kanzlerin Merkel im Kabinett sitzen. Wenn, dann ziehe ich ins Kanzleramt ein.“ Es gibt derzeit sicher realistischere Visionen.

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