© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/12 30. November 2012

Lockerungsübungen
Sozialer Populismus
Karl Heinzen

Zum 1. Januar 2013 steigt der monatliche Hartz-IV-Regelsatz von 374 auf 382 Euro. Einen Konsumrausch zur Beflügelung der Binnenkonjunktur wird diese spendable Geste der Bundesregierung leider nicht auslösen können. Zudem dürfte die zusätzliche Kaufkraft zum größten Teil dank der wachsenden Professionalität der Jobcenter wieder abgeschöpft werden. Zwischen August 2011 und Juli 2012 verhängten sie über eine Million Sanktionen gegen Langzeitarbeitslose, die ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen waren – ein sattes Plus von 38 Prozent gegenüber den zwölf Monaten zuvor. Setzt sich dieser Trend fort, werden auch die Hartz-IV-Empfänger mit den über sie verfügten Almosenkürzungen einen relevanten Beitrag zur Haushaltskonsolidierung leisten können.

Da sich eine Trendumkehr auf dem Arbeitsmarkt abzeichnet, bleiben sozial Schwache eine Klientel, die die Politik nicht einfach nur stigmatisieren kann. Es ist somit verständlich, daß die Oppositionsparteien im Bundestagswahlkampf auch für sie das eine oder andere im Köcher haben. Die Vorstellungen der Linken hierzu sind seit langem aktenkundig, und auch jene der Grünen liegen unterdessen auf dem Tisch. Sie sind darauf aus, ihrem Image einer elitären bürgerlichen Partei, die den Lebensstandard der Massen einschränken will, entgegenzuwirken. Die Erklärung, den Hartz-IV-Regelsatz auf 420 Euro anheben zu wollen, verbinden sie daher nicht mit der Auflage, mit dem zusätzlichen Geld auch ja nachhaltig umzugehen.

Allerdings kann sich um sozial Schwache nur kümmern, wer nicht den Anspruch erhebt, eine Volkspartei zu sein. Instinktsicherheit beweist hier die SPD, die mit einem Rentenkonzept das erste inhaltliche Zeichen im Wahlkampf setzt. Soziale Gerechtigkeit und Solidarität sind Werte, die heute allein von der alten Generation hochgehalten werden. Sie haben noch einen Sozialstaat erlebt, dessen sich die Politik sogar rühmte, und beharren unbelehrbar auf seinen Leistungen. Für die nachfolgenden Generationen und vor allem die Zuwanderer gilt dies nicht mehr. Politiker, die ihnen den Sozialstaat andienen wollen, betrachten sie mit Mißtrauen. Die ehrenrührige Unterstellung, sie könnten ihr Leben nicht in die eigene Hand nehmen, wollen sie nicht auf sich sitzen lassen.

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