© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/12 30. November 2012

Impulse für die Welt
Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung: Viel Kritik, wenig Gehör
Michael Martin

Er fordert von Indien ein Moratorium für die Todesstrafe, ist entsetzt über Hinrichtungen in Pakistan und besorgt über ein Anti-Homosexualitäts-Gesetz in Uganda. Auch zeigt er sich tief enttäuscht über die Verurteilung eines kasachischen Oppositionspolitikers, ist bestürzt über die Verurteilung von Journalisten in Äthiopien oder fordert die Freilassung der „Aktionskünstlerinnengruppe“ Pussy Riot.

Es gibt wenig in der großen, weiten Welt, was Markus Löning kaltläßt? „Markus wer?“ Es vergeht keine Woche, in der sich der „Beauftragte der Bundesregierung für Menschenrechtspolitik und Humanitäre Hilfe“ nicht zu Wort meldet.

Markus Löning ist 52 Jahre alt und hatte seine besten politischen Zeiten eigentlich schon hinter sich. Seit 1989 gehört er der FDP an und im Landesverband Berlin kann man schnell Karriere machen. Bereits 1995 sitzt er im Vorstand, stets ist er mit dabei, wenn es darum geht, die „Machtübernahme“ der Nationalliberalen um Alexander von Stahl zu verhindern. Fünf Jahre später ist er stellvertretender Landesvorsitzender, 2002 zieht er schließlich in den Bundestag ein. Dort bleibt er sieben Jahre, schafft es zum Landesvorsitzenden, doch als die Umfragen der Liberalen nach oben schnellen, wird er von Martin Lindner weggemobbt. Löning verliert eine Kampfkandidatur um den ersten Listenplatz 2009, ist verbittert und schmeißt ein Jahr später den Vorsitz hin.

Als Guido Westerwelle im Oktober 2009 ins Außenministerium einzieht, spielt der verdiente Parteifreund zunächst keine Rolle. Dabei gibt es massig Posten zu verteilen. Westerwelle schart Vertraute um sich, der Posten des Menschenrechtsbeauftragten interessiert ihn zunächst wenig.

Der ist offiziell auch nicht dem Minister unterstellt, sitzt aber unweit von dessen Büro. Mit Lönings Amtsvorgänger Günter Nooke kann Westerwelle wenig anfangen, im März 2010 beansprucht die FDP diesen Posten schließlich für sich. Der frühere DDR-Bürgerrechtler, der vor Jahren von den Grünen zur CDU konvertierte, wird als Afrika-Beauftragter von Angela Merkel weggelobt. Um seinen Posten gibt es kein großes Gedränge. Irgendwann kommt Löning ins Spiel, immerhin war der sieben Jahre lang Europaexperte der FDP-Fraktion.

„Der Beauftragte ist Ansprechpartner für Fragen der Menschenrechtspolitik und der Humanitären Hilfe. Zu seinen Aufgaben gehört es, die politischen Entwicklungen zu verfolgen und dem Bundesaußenminister Vorschläge zur Gestaltung der deutschen Politik in diesen Bereichen zu machen“, heißt es in einer Selbstdarstellung. Der Beauftragte ist dabei selbst unabhängig, kann aber auch keine Weisungen erteilen. Er ist damit in der Lage, auch konträre Auffassungen innerhalb der Bundesregierung zu vertreten.

Geschaffen wurde das Amt im November 1998. SPD und Grüne hatten die Bundestagswahl gewonnen und in ihren Koalitionspapieren das Thema Menschenrechte als „Leitlinie“ deutscher Außenpolitik festgelegt. Dazu genügte es Rot-Grün nicht, auf den Apparat des Staatsministers im Auswärtigen Amt (AA) oder der politischen Abteilungen im AA zurückzugreifen, sondern es wurde ein neuer Posten geschaffen. Grünen- Außenminister Joseph Fischer, der in der Sache Menschenrechtsbeauftragter die Initiative übernommen hatte, besetzte den Posten konsequent mit einem Parteifreund – dem ehemaligen DDR-Bürgerrechtler Gerd Poppe.

„Ich führe den Dialog über die Menschenrechte. Ich will Impulse für die Entstehung ziviler Gesellschaften geben“, erklärte Poppe nach zweijähriger Amtszeit in der Berliner Zeitung seinen Wirkungsbereich.

Im Jahr 2003 folgte ihm seine Parteifreundin Claudia Roth, von Januar 2005 bis Februar 2006 hatte der frühere Frankfurter Stadtkämmerer Tom Koenigs (Grüne) das Amt inne, bis schließlich zu Zeiten der Großen Koalition Günter Nooke (CDU) den Grünen-Posten übernahm.

Lönings Amtsvorgänger übten ihre Funktion recht unterschiedlich aus. Nooke neigte nicht zu schrillen Tönen, mischte sich selten ins außenpolitische Tagesgeschäft ein und wurde für seine Treue zur Kanzlerin Merkel belohnt. Claudia Roth war so wie sie heute ist – laut, schrill, bisweilen unerträglich. Und Tom Koenigs nutzte sein Netzwerk, um auf einen gut dotierten Sessel bei den Vereinten Nationen zu springen – der Grüne galt als versierter Strippenzieher.

Und Löning? Dessen Amtsantritt wurde mit Häme begleitet. Vor allem Volker Beck war außer sich: „Qualifikation? Durchgefallen.“ Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion argwöhnte, bei der Besetzung gingen „ganz klar FDP-Parteibuch und Parteiinteressen vor der fachlichen Qualifikation“. Becks Urteil war vernichtend: „Die Ernennung eines auf dem Gebiet der Menschenrechte derart unerfahrenen Mannes schadet der Menschenrechtsarbeit“, ließ er im Frühjahr 2010 mitteilen. Heute hat sich das Bild gewandelt. „Markus Löning zeigt sich sehr beherzt und engagiert. Im Vergleich zu seinem Vorgänger ist dies schon eine gewaltige Verbesserung“, sagte Beck zur Halbzeit.

Markus Löning ist beliebt. Er meldet sich häufig zu Wort, was bisweilen für ein amüsiertes Lächeln sorgt. Aber er sitzt sein Amt nicht aus, er hat sich eingearbeitet. Und er weiß, daß seine Amtszeit endlich ist. Bald wird er sich – mit dann 53 Jahren – wieder auf Arbeitssuche befinden. „Seine“ FDP kämpft in allem Umfragen um das politische Überleben, eine erneute Regierungsbeteiligung scheint ausgeschlossen und selbst wenn – das Außenministerium wird man den Liberalen wohl unter keinen Umständen mehr überlassen wollen.

Vielleicht ist Löning auch deswegen so beliebt, weil er ein Gegenpol zu seinem prominenten Flur-Kollegen ist. Außenminister Guido Westerwelle ließ zu Beginn seiner Amtszeit kein Fettnäpfchen aus, mittlerweile ist es wenigstens still um ihn geworden. Sein Parteifreund hingegen gilt als verbindlich, eloquent und höflich.

Im Rahmen seiner Aufgabenstellung hält er in Deutschland Verbindung zu allen relevanten Behörden und Organisationen, die sich mit den Themen Menschenrechte und humanitäre Hilfe beschäftigen. Eigentlich ist Löning ein klassischer Lobbyist – mit einem Nachteil: Er kann keine Gelder verteilen, nicht einmal Entscheidungen treffen. Er macht lediglich Vorschläge, mischt sich ein und kritisiert.

Etwas bekannter wurde er, als er vor Monaten feststellte, beim russischen Präsidenten Wladimir Putin handele es sich um alles, nur nicht um einen lupenreinen Demokraten. Und Putins Freund, Ex-Kanzler Schröder bekam das Etikett „lupenreiner Zyniker“ umgehängt. Die linksalternative taz, nicht gerade ein Freundin der FDP, stellte genüßlich fest, daß der erwartete Anpfiff aus dem Ministerium ausgeblieben sei. „Ich bin ganz frei von äußeren Repressionen“, zitiert sie Löning und folgert: „Weil sein Amt so konstruiert ist. Aber ironischerweise auch wegen der Implosion der FDP: Löning muß nicht mehr um Posten kämpfen, denn es gibt keine mehr zu verteilen.“

Der 52jährige teilt diese Auffassung, er sagt es nur nicht laut. Stattdessen läßt er Beobachter gerne seine Distanz zum parteipolitischen Geschäft spüren, wohl auch weil ihm stets bewußt war, daß er eher eine Notlösung war.

Es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis sich die FDP auf Löning einigte. Zunächst mußte eine neue Stelle her für den Merkel-Vertrauten Nooke. Aber auch als klar war, daß der Afrika-Beauftragte der Regierung wird, blieb die Nachfolge vakant. So lange, daß Amnesty International öffentlich mutmaßte, der Regierung sei das Thema unwichtig. Mittlerweile hat die Organisation ihre Meinung geändert, den 52jährigen mehrfach gelobt, aber auch moniert, daß dessen Einflußbereich zu gering sei. Öffentlich beklagt hat sich Löning über seine Rolle als Ideengeber, aber Nicht-Entscheider nie.

Er kennt die Grenzen seines Amtes, hat gerade einmal drei Mitarbeiter, manchmal auch einen Praktikanten. Immerhin: Sein Amt bringt auch Vorzüge. In zweieinhalb Jahren ist Löning mehr um die Welt gekommen als in den 48 Jahren zuvor. Seit April 2010 im Amt, reiste er unter anderem nach China, Argentinien, Tunesien, Ägypten, Pakistan, Aserbaidschan, in die USA und die Türkei.

In Brüssel ist er ebenfalls häufig. „Wir brauchen in Brüssel einen Repräsentanten für Menschenrechte. Wenn die Franzosen ihre Gefangenen schlecht behandeln, dann muß man darüber reden können“ sagte er der taz. Menschenrechtspolitik fängt vor der Haustür an, erklärt Löning. Er ist verheiratet, hat drei Kinder und sagt von sich selbst: „Ich bin gesund und glücklich.“ Der Politikwissenschaftler war jahrelang Teilhaber einer Werbeagentur. Eine Rückkehr in den parlamentarischen Alltag strebt er offenbar nicht an. „Es wird sich finden“, sagte er unlängst auf die Frage nach seinen beruflichen Plänen: „Ich habe in meinem Leben immer Glück gehabt.“

Bis zur Bundestagswahl ist noch etwas Zeit. Von Markus Löning wird man sicherlich hören – egal, ob es um Urteile in Bahrein, um Mißhandlungen in Kasachstan oder um ein Lob für die Arbeit von Amnesty International geht.

 

Berlin im Bann der Menschenrechte

„Der Schutz der Menschenrechte ist ein Grundpfeiler der deutschen Außenpolitik“, erklärt Bundesaußenminister Guido Westerwelle immer aufs neue. Der FDP-Politiker knüpft so an die Politik der rot-grünen Koalition an, die schon lange vor dem Sieg bei der Bundestagswahl im September 1998 die „strukturellen Defizite“ in der deutschen Menschenrechtspolitik kritisiert hatte. Einen „Beauftragten der Bundesregierung für Menschenrechtsfragen“ beherbergte damals – und beherbergt auch noch heute – das Bundesministerium der Justiz. Unter Federführung der Bündnisgrünen wurden daraufhin drei Strukturerweiterungen in Angriff genommen. Bereits im November 1998 wurde unter dem Dach des Auswärtigen Amtes (AA) das „Amt des Beauftragten der Bundesregierung für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe“ eingerichtet – das AA verfügt seitdem neben dem „Arbeitsstab Menschenrechte“ und den zuständigen Länderreferaten über einen dritten Impulsgeber. Parallel dazu wurden 1998 der „Bundestagsausschuß für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe“ (damaliger Vorsitzender der Grünen-Politiker Tom Koenigs) sowie das „Deutsche Institut für Menschenrechte“ (März 2001) gegründet.

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