© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/12 30. November 2012

Der Euro-GAU
Wirtschaftsliteratur: Der Atom-Kritiker und Erfolgsautor Holger Strohm fordert den Euro-Ausstieg / Nur wenig Lichtblicke in finsterer Zeit
Volker Kempf

Holger Strohms „Friedlich in die Katastrophe. Eine Dokumentation über Atomkraftwerke“ verkaufte sich in den achtziger Jahren hunderttausendfach und bedeutete einen „erheblichen Niveausprung in der bundesdeutschen Kernkraft-Kritik“ (Joachim Radkau). Mangelnde Terror- und Erdbebensicherheit, ungelöste Endlagerungsprobleme, utopische Energiebedarfsprognosen lauten die Kritikpunkte auf rund 1.300 Seiten, die mit einem Vorwort von Ex-Umweltstaatssekretär Michael Müller (SPD) neu aufgelegt wurden (JF 43/12).

Nicht zuletzt würden Verluste und Risiken kollektiviert, durch Fördermittel-Milliarden erzielte Gewinne von einigen wenigen eingestrichen. Beim Atomendlager Asse wird das augenscheinlich, da für lächerliche Beträge Atommüllfässer gelagert wurden, für etwaige Schäden in Milliardenhöhe soll der Steuerzahler haften. Die Möglichkeit eines atomaren Super-Gaus einzuräumen wurde einst als „Phobie“ abgetan, sie ist in Tschernobyl und Fukushima aber Realität geworden. Die Anti-AKW-Bewegung hat letztlich eine Stärke erreicht, die Angela Merkel die atompolitischen Segel streichen ließ.

Eine so starke Bewegung wünscht sich Strohm auch beim Euro, denn wieder regierten „Propagandalügen“, seien frühe Warnungen in den Wind geschrieben sowie Verluste sozialisiert und Gewinne von einer kleinen Gruppe eingestrichen worden. Strohm erinnert in „Neues von der Euro-Mafia“ an Mahner wie den Herausgeber der Börsenzeitschrift Effecten Spiegel, Bolko Hoffmann, der 1997 schrieb: „Die Hauptschuldigen für unsere Wirtschaftskrise sind neben den Bonner Politikern vor allem die Banken. Sie sind zusammen mit ein paar großen Exporteuren, die einzigen, die den Euro wirklich wollen.“

Strohm verweist auf US-Notenbank-Chef Alan Greenspan, der prognostizierte: „Der Euro wird kommen, aber er wird keinen Bestand haben.“ Ex-Bundespräsident Roman Herzog sah eine „Gefahr für den Rechtsstaat“, weil Verträge und Versprechen für die Aufnahme und den Verbleib in der Währungsunion von fast allen Staaten sehenden Auges gebrochen wurden. Helmut Kohl habe sich „immer mehr von den unmittelbaren Interessen der Bürger“ entfernt und jeden Zweifler als „Ketzer“ und „Europa-Feind“ gebrandmarkt, so Strohm.

Seine Nachfolgerin Angela Merkel habe die Bürger eingelullt: „Der Euro ist ein Segen für Deutschland.“ Es „spielten Kohl und Merkel Vabanque, setzten den Euro mit Brachial-Gewalt durch, ließen Kritiker feuern, politisch unter Druck setzen und verfolgen. Die Volksvertreter gehorchten und die Medien logen das Blaue vom Himmel herunter“, so Strohm. Am Ende zahle Deutschland.

Der Umweltaktivist geht mehrere Euro-Länder durch und zeichnet ein Bild, das an die Entwicklungshilfe erinnert, die in der Korruption versandet: „Jede der politischen Dynastien hat das Land [der Griechen] ruiniert mit Korruption, Steuerhinterziehung, maßloser Bürokratie, Verschwendung und Schwarzarbeit. Und das gilt leider gleichermaßen für alle Mittelmeerländer“, so Strohm.

So sei es kein Geheimnis, daß „in vielen dieser Länder die Mafia – mal mehr, mal weniger – regiert. Ausgerechnet in solchen Staaten pumpten wir Milliarden geradewegs in den Rachen der Mafia, in eine alles lähmende, korrupte Bürokratie und in landwirtschaftlich-touristisch orientierte Systeme, in denen die Bürokratie die kleinere und mittlere Wirtschaft im Würgegriff hat .“ Im weiteren Sinn versteht Strohm unter Mafia „organisiertes Verbrechen in der Wirtschaft“. Die Euro-Krise werde von Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble genutzt, um die politische Union und die „Eine-Weltregierung“ „gegen die Deutsche Verfassung, gegen das Verfassungsgericht, gegen ihr eigenes Kabinett, und gegen den ausdrücklichen Willen der Koalition und des Volkes durchzusetzen“. Die EU-Befugnisse wachsen, die Rechte der nationalen Parlamente würden beschnitten. Frank Schäffler (FDP) und Ex-BDI-Chef Hans-Olaf Henkel, aber auch Oskar Lafontaine sind für Strohm Lichtblicke in finsterer Zeit.

Ob es für die Euro-Krise allerdings wirklich der „Bilderberger“ bedurfte, darf bezweifelt werden. Ein Netzwerk mögen sie sein, unumschränkte Macht haben sie wohl nicht. Von dieser Fragwürdigkeit abgesehen hat Strohm ein Buch geschrieben, in dem er die Euro-Protagonisten seine Respektlosigkeit spüren läßt wie vorher schon die Atomlobby. Ob das für die notwendige große Bewegung zum Euro-Ausstieg reicht, sei dahingestellt. Eine Fundgrube ist Strohms pointenreiche „Medien-Dokumentation“ aber allemal.

Holger Strohm: Neues von der Euro-Mafia. Eine Medien-Dokumentation. Kai Homilius Verlag, Berlin 2012, broschiert, 200 Seiten,
14,95 Euro

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