© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  49/12 30. November 2012

Die roten Pressezaren
SPD: Mit ihrer Medientreuhand DDVG übt die Partei unbemerkt Einfluß auf die veröffentlichte Meinung aus
Ronald Berthold

Ein Anruf beim ZDF kostete CSU-Sprecher Hans Michael Strepp Ende Oktober den Kopf. Doch für die SPD war dieser Rücktritt zuwenig: „Das ist ein Bauernopfer. Das reicht nicht“, forderte der sozialdemokratische Fraktionsgeschäftsführer im Bundestag Thomas Oppermann. Auf gut deutsch: CSU-Chef Horst Seehofer sollte auch gleich noch seinen Hut nehmen.

Mit seinen scharfen Worten bewies Oppermann ziemliche Chuzpe. Denn die Einflußnahme seiner Partei auf die Medien funktioniert viel gründlicher und subtiler. Die SPD ist als hundertprozentige Eigentümerin der Deutschen Druck- und Verlagsgesellschaft (DDVG) an mehr als 40 Tageszeitungen beteiligt. Die Gesamtauflage dieser verkappten SPD-Blätter wird auf etwa 2,2 Millionen Exemplare geschätzt. Dies sind mehr als zehn Prozent der in Deutschland täglich verkauften Zeitungen. Als Parteiorgane sind die Medien mit SPD-Beteiligung nicht gekennzeichnet. Sie gelten als unabhängig.

Und die Sozialdemokraten beteuern auch regelmäßig, daß sie keinerlei Einfluß auf die Berichterstattung nähmen. Dies mag vielleicht zum einen unter Genossen auch gar nicht nötig sein, zum anderen trifft es nicht zu. Dies zeigt ein Beispiel aus der Geschichte der Frankfurter Rundschau, an der die Partei heute noch zu 40 Prozent beteiligt ist. Die damalige SPD-Schatzmeisterin Inge Wettig-Danielmeier beschwerte sich 2005 über die Berichterstattung der überregionalen Zeitung zur Linkspartei und wollte dazu den Beitrag eines Mitgliedes der Historischen Kommission beim SPD-Parteivorstand ins Blatt hieven. Der damalige Chefredakteur Wolfgang Storz lehnte dies ab. Schließlich sei seine Zeitung unabhängig. Die SPD-Politikerin reagierte scharf und sah in Storz’ Auffassung ein „Mißverständnis über die redaktionelle Unabhängigkeit und Führung einer Redaktion“. Im Klartext: Das Sagen hat die Partei. Ein dreiviertel Jahr später wurde der Chefredakteur gefeuert. Inzwischen ist die Frankfurter Rundschau insolvent.

Wirklich skandalisiert wurde dieser massive Eingriff einer Partei in die Pressefreiheit nicht. Niemand trat zurück. Dabei nimmt sich im Vergleich dazu die versuchte Intervention Strepps beim Fernsehen aus wie ein Sandkastenspiel.

Ihr Medienimperium bringt die SPD im Gegensatz zu allen anderen Parteien in eine nicht zu toppende „Win-Win-Situation“. Die DDVG stellt einerseits einen nicht zu unterschätzenden Macht- und Einflußfaktor in der deutschen Presselandschaft dar. Von der früheren DDVG-Treuhänderin Wettig-Danielmeier wird entsprechend die Aussage überliefert: „Auch dort, wo wir nur 30 oder 40 Prozent haben, kann in der Regel nichts ohne uns passieren.“ Andererseits wirft der Konzern jede Menge Geld ab, der in die Parteikassen fließt. In den vergangenen beiden Jahren waren dies jeweils 7,7 Millionen Euro. 2011 blieb der Verlagsgesellschaft dennoch ein Überschuß von 900.000 Euro. Im bundesdeutschen Parteienstaat ist das ein absolutes Alleinstellungsmerkmal, von dem die Öffentlichkeit und die betreffende Leserschaft praktisch nichts wissen. Beispiel Frankenpost: In dem Impressum der Hofer Tageszeitung findet sich kein Wort über die tatsächlichen Eigentümer. Weder DDVG noch SPD werden erwähnt. Als Herausgeber fungiert ganz harmlos die „Frankenpost Verlag GmbH“.

Die DDVG selbst macht aus ihren Absichten allerdings keinen Hehl. Auf ihrer Internetseite heißt es, ihr Ziel sei es, die Beteiligungen wirtschaftlich zu führen, die Substanz zu mehren – „und damit zugleich einen finanziellen Beitrag zur Arbeit der SPD zu leisten“. Und der Laden läuft wie geschmiert: „Für 2011 können wir mitteilen, daß sich die DDVG wirtschaftlich gut behaupten konnte.“ Das Betriebsergebnis von knapp 16 Millionen Euro und der Überschuß von gut 13 Millionen Euro belegten „die robuste Struktur unseres Unternehmens.“ Eine Gelddruckmaschine, die Meinung macht. Oder umgekehrt.

Eine wichtige Rolle spielt die Partei mit ihrer Tagespresse in Franken. Am Nordbayerischem Kurier aus Bayreuth, der besagten Frankenpost aus Hof und der Neuen Presse Coburg hält die DDVG jeweils Anteile. Der nördliche Teil des Freistaates gilt als Hochburg der SPD in Bayern. Zufall?

Anderswo gibt es jedoch offenbar einen erheblichen Unterschied zwischen gefühltem und tatsächlichem Einfluß auf die Wählerschaft. In Dresden zum Beispiel müßte die SPD eigentlich eine führende Rolle in der Kommunalpolitik spielen – gemessen an ihrer verlegerischen Macht. Immerhin ist die Partei über ihre DDVG an allen drei in der sächsischen Landeshauptstadt erscheinenden Tageszeitungen beteiligt: Dresdner Neueste Nachrichten, Sächsische Zeitung und Dresdner Morgenpost. Wer hier eine regionale Tageszeitung lesen will, kommt an den Sozialdemokraten nicht vorbei. Und trotzdem: Bei der vergangenen Kommunalwahl erreichte die SPD in Dresden läppische 12,25 Prozent.

 

Alle Wege führen zur SPD

Das Hamburger Beteiligungsunternehmen Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft mbH (DDVG) gehört der SPD und verfügt über 59,8 Millionen Euro Eigenkapital. 94,67 Prozent hält die Parteischatzmeisterin, die ehemalige Finanzstaatssekretärin Barbara Hendricks; 5,33 Prozent werden von der Solidarität GmbH (für den SPD-Parteivorstand) gehalten. Im Aufsichtsrat der DDVG sitzen unter anderem der ehemalige Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, Björn Engholm, die ehemalige SPD-Schatzmeisterin Inge Wettig-Danielmeier, aber auch der frühere Intendant des Norddeutschen Rundfunks Jobst Plog. Der DDVG gehören Druckereien (etwa Bayreuth Druck), die Parteizeitung Vorwärts (zu 100 Prozent) und die Zeitschrift Öko-Test (65,67 Prozent). Vor allem ist sie an Presseverlagen beteiligt: mit 100 Prozent an der Westfälischen Verlagsgesellschaft (Westfälische Rundschau), mit je 40 Prozent am Druck- und Verlagshaus Frankfurt (Frankfurter Rundschau) und dem Dresdner Druck- und Verlagshaus (Sächsische Zeitung). Mit ihren 26 Prozent ist sie am Madsack-Verlag (Hannoversche Allgemeine Zeitung) beteiligt.

Foto: Übersichtskarte siehe PDF

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen