© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 49/12 30. November 2012
Zwischen Reichstag und Kanzleramt Das seit 2006 von einem libertären Netzwerk ausgerichtete „Forum Freiheit“, das in der vergangenen Woche in der FDP-Parteizentrale stattfand, bietet immer wieder auch dissidenten CDU-Politikern ein zumindest temporäres Exil. Die jetzt im Thomas-Dehler-Haus geübte radikale, teils vernichtende Kritik an der FDP-Parteiführung wäre im Konrad-Adenauer-Haus undenkbar. Die Bürgerrechtlerin und einstige CDU-Bundestagsabgeordnete Vera Lengsfeld, hier inzwischen Stammgast, versuchte den Wert der Freiheit im gegenwärtigen Deutschland zu benennen, was zunächst hieß: beziffern. Denn Europa sei heute so überschuldet wie zuletzt in Kriegszeiten, während die „gesichtslose Demokratie“ Brüssels mit ihren 26 Kommissaren „nicht rechenschaftspflichtig“ sei. Die dahinterstehende Angst verkörpere sich in Deutschland mit dem 9. November 1989. Es sei kein Zufall, daß dieses Datum von der Politik gemieden wird. Verweise es doch auf ein Volk, das sich als Subjekt zurückmeldet und seine Rechte einfordert. In der „kleinen DDR“ von Brandenburg übernimmt die
CDU gleich selbst die Rolle der politisch-korrekten Gleichschaltung, wie die
ehemalige Oppositionsführerin und CDU-Landeschefin Saskia Ludwig berichtete. Ihr
Vortrag über „Das freiheitliche Denken in unseren ‘bürgerlichen’ Parteien“ am
Beispiel der CDU verwies auf die Rolle der Medien als vierter Gewalt – beginnend
bei der Google-Anfrage, die 43.800.000 Einträge zum Begriff „Freiheit“ liefere,
in Zusammenhang mit ihrer Person jedoch an erster Stelle auf die JUNGE FREIHEIT
verlinke. Schließlich hatte ihre letzte Veröffentlichung in dieser Zeitung Sascha Tamm vom Liberalen Institut Potsdam zeichnete für die FDP ein ähnlich pessimistisches Bild. Doch auch im Bürgertum selbst sei freiheitliches Denken kaum noch existent, da die liberale Deutungshoheit über die Begriffe verlorengegangen sei. Aus der parlamentarischen Praxis berichtete Sylvia Canel (FDP) über ihren Kampf gegen die Euro-Rettungspolitik. „Die Krise“, so Canel, „ist schon mitten im Parlament angekommen, das zur verlängerten Regierungsbank verkommen ist“. Ihr Fazit: „Wir haben auch keine Opposition mehr!“ |