© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  48/12 23. November 2012

Rätselhaftes Massensterben
In Süddeutschland bangen Imker um ihre Bienenvölker / Weltweites Phänomen mit dramatischen Folgen
Taras Maygutiak

Das Bienensterben ist gar kein Mysterium. Sie sterben nicht einfach an Pestiziden, Milben, Antibiotika, Inzucht oder Streß. Es ist die Summe von allem. Die Bienen sterben am Erfolg der Zivilisation.“ Das ist das finstere Fazit, das der Schweizer Regisseur und Drehbuchautor Markus Imhoof in seinem neuesten Film „More than Honey“ zieht, der vor wenigen Tagen in den ersten deutschen Großstadtkinos angelaufen ist.

Imhoof prangert in dem Film vor allem die Massenproduktion und rücksichtslose Industrialisierung in der Landwirtschaft an. Imhoof zeigt auf, wie beispielsweise in China einst durch Mao in weiten Landstrichen zuerst die Spatzen durch ein großangelegtes Programm vernichtet wurden, um Erntefraß zu verhindern. Das hatte allerdings zur Folge, daß Ungeziefer gedeihen konnte, welches wiederum mit Pestiziden getilgt wurde. Das war dann auch zuviel für die Bienen. Im Norden des Reiches der Mitte müssen Arbeiter nun die Bestäubung der Pflanzen in Handarbeit vornehmen.

Durch dieses Beispiel wird deutlich, was Albert Einstein mit seiner Warnung, „wenn die Bienen aussterben, sterben vier Jahre später auch die Menschen aus“, gemeint hat. Denn Bienen sind nicht nur dazu da, Honig zu produzieren, sie sind in erster Linie für die Bestäubung der Pflanzen notwendig. Zustände wie im Norden Chinas herrschen in Deutschland glücklicherweise nicht. Auch gibt es hierzulande keine Großimker wie in den USA, die mit 15.000 Bienenvölkern – die ohne den Einsatz von Antibiotika nicht lebensfähig wären – durchs Land reisen und diese etwa zur Bestäubung riesiger Mandelplantagen vermieten, wie im Film beschrieben.

Also ein an den Haaren herbeigezogenes Problem, ein Horrorszenario, das es so in Deutschland nicht gibt? Nicht ganz. Bienensterben gibt es auch in einigen Regionen in Deutschland. Vor allem in Südwestdeutschland können die Imker ein Lied davon singen. „Je mehr man nach Süden kommt, desto größer ist die Anzahl der Bienen“, gibt der stellvertretende Vorsitzende des Landesverbands Badischer Imker, Manfred Raff aus Karlsruhe, Einblicke.

In seinem Landesverband herrschte bereits 2008 Alarmstimmung. Entlang des Oberrheins und im benachbarten Elsaß kam es nämlich massenhaft zu Bienensterben. Auch in Italien beobachtete man das Phänomen. 12.500 der 80.000 Bienenvölker, die im badischen Landesteil gehalten werden, wurden „stark dezimiert oder galten teilweise als Totalschaden“, sagt Raff.

Der Grund waren nicht Milben oder Antibiotika. In Deutschland gibt es laut Raff ohnehin fast ausschließlich Hobbyimker, die im Durchschnitt etwa zehn Völker halten. Antibiotika würden nur bei Großimkern mit vielen Bienenvölkern eingesetzt. Schuld war ein Beizmittel, mit dem das Saatgut von Mais behandelt worden war. Am Oberrhein pflanzen viele Bauern seit Jahren fast ausschließlich Mais an, da dies – dank gesetzlicher Biogas- und Biospritförderung – am lukrativsten ist.

Als der Schädling „Maiswurzelbohrer“ auftrat, wurde nur noch das gebeizte Saatgut verwendet. Durch den Staub kam es dann zum Bienensterben. Das Beizmittel Clothianidin (JF 9/09) aus der Wirkstoffgruppe der Neonicotinoide, in Deutschland unter dem Namen „Poncho Pro“ vertrieben, wurde daraufhin allerdings nicht etwa verboten, wie viele meinten: „Es wurde lediglich die Zulassung für den Mais untersagt. Raps wird nach wie vor gebeizt“, erklärt Manfred Raff. Raps, der unter anderem zur Biodieselherstellung dient, wird in Baden ebenfalls auf zahlreichen Feldern angebaut. Da liegt auch das Problem, ist der Imker überzeugt. Es liegen nicht etwa viele tote Bienen in den Bienenstöcken. „Die Bienen verlieren die Orientierung, finden ihre Bienenstöcke nicht mehr oder können ihre Arbeit nicht mehr richtig verrichten“, beklagt Raff: „Die Bienenvölker werden schlechter.“

Als die Wellen vor allem in den regionalen Medien 2008 wegen des Bienensterbens hochschlugen, zahlte die Bayer AG, die das „Poncho Pro“ vertreibt, den Imkern in Baden 2,2 Millionen Euro, berichtet Raff. Dabei habe der Konzern jedoch darauf geachtet, bloß kein Schuldeingeständnis abzugeben. Das Geld sei als „Sofortmaßnahme für die Imkerei“ deklariert gewesen. Ein vergleichbares Beizmittel mit dem Namen „Calypso“, das in Frankreich verwendet wurde, ist dort mittlerweile verboten.

Die Zahl der Bienenvölker geht von Jahr zu Jahr zurück, sagt Raff. Dadurch, daß es immer wieder Verluste bei den Bienenvölkern gebe, würden viele Imker aufgeben. Der Film „More than Honey“ beschreibt das Problem zwar eher global, meint Raff, dennoch empfiehlt er, den Film anzuschauen. Danach könne der Zuschauer sich ja auch in seiner Region informieren, wie die Imkerei funktioniere.

In den badischen Imkerschulen habe man zu Informationszwecken eigens Lehrbienenstände stehen, sagt er. Bienen sind übrigens nicht nur ein Thema für den ländlichen Raum, betont Manfred Raff: „Mittlerweile fühlen sich Bienen in der Stadt wohler.“ Er selbst hat seine Bienenstöcke heute im Karlsruher Stadtgebiet aufgestellt.

Der Schweizer Dokumentarfilm „More Than Honey“ läuft in den kommenden Wochen weiter in verschiedenen deutschen Kinos: www.morethanhoney.senator.de

 

Zuwenig „Echter Deutscher Honig“

94.000 Imker, die 750.000 Bienenvölker halten, gibt es laut dem Imkerbund (DIB) deutschlandweit. Den Markennamen „Echter Deutscher Honig“ kennen und schätzen fast die Häfte aller Verbraucher. Damit gehört das Produkt zu den bekanntesten Honigmarken in Deutschland, sagt der DIB. Ein Bienenvolk sammelt im Jahr 15 bis 20 Kilogramm Honig. Die deutschen Imker, der Löwenanteil von ihnen sind Hobbyimker mit durchschnittlich zehn Völkern, produzieren mit ihren Bienen jährlich zwischen 20.000 und 25.000 Tonnen des Naturproduktes. Damit decken sie laut DIB aber lediglich ein Fünftel des Verbrauchs in Deutschland ab. Gerade einmal zwei Prozent aller Imker gehen der Honigproduktion hauptberuflich nach. Doch auch ein hauptberuflicher Imker hat in Deutschland meist nicht mehr als 200 Völker. Insgesamt übersteigt die Nachfrage das Angebot bei weitem. Kein Wunder, schließlich liegt der Pro-Kopf-Verbrauch von Honig in Deutschland bei 1,2 Kilogramm im Jahr.

Deutscher Imkerbund (DIB): www.deutscherimkerbund.de

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