© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  47/12 16. November 2012

Veteranen von der Wolga
Literisches Denkmal für die letzten Stalingradkämpfer
Matthias Bäkermann

Auch 2012 treffen sich im hessischen Limburg die letzten Überlebenden der 230.000 Soldaten, die im November 1942 im Kessel von Stalingrad eingeschlossen wurden. Daß von dieser großen Zahl heute nur noch eine Handvoll Veteranen erscheinen konnten – im Jahr 2010 gerade einmal neun Stalingradkämpfer –, hat nicht nur mit ihrem hohen Alter um die neunzig Jahre zu tun. Nach zehn Wochen mörderischen Kampfes zwischen Don und Wolga gingen Anfang Februar nach der Kapitulation etwa die Hälfte der eingeschlossenen Landser in die sowjetische Gefangenschaft. Mit Ausnahme mehrerer tausend Verwundeter, die aus dem Kessel ausgeflogen werden konnten, sind über 100.000 gefallen.

Aber auch die etwa 118.000, die von Hunger, Strapazen und Kälte gezeichnet in die Gefangenenlager aufbrachen, überlebten vielfach die Todesmärsche nicht oder erfroren weitgehend unversorgt und ohne Obdach auf regelrechten Leichenfeldern des berüchtigten Kriegsgefangenenlagers Beketowka südlich von Stalingrad. Von den knapp 20.000 Gefangenen, die überhaupt die Dauerlager im Ural oder Usbekistan erreichten, kehrten nur knapp 6.000 nach Deutschland zurück, nicht wenige mit den letzten Rückkehrern 1955.

Der Major a.D. Helmut Ziegner gehört zwar nicht zu diesen Veteranen, dafür war der heute 81jährige damals noch zu jung. Dennoch führte den pensionierten NVA-Offizier sein geschichtliches Interesse zu den Veteranen, deren Treffen immer zum Volkstrauertag in Limburg an der Lahn stattfinden, wo das zentrale deutsche Denkmal zum Gedenken an alle in Stalingrad gefallenen und in der anschließenden Gefangenschaft verstorbenen Soldaten steht.

Siebzig Jahre nach der Schlacht hat Ziegner jetzt einen Erinnerungsband vorgelegt, der zwei schon vorher erschienene Bände umfaßt. Darin dokumentiert er eindrucksvoll in Wort und Bild die seit 2004 besuchten Treffen, zu denen auch sowjetische Veteranen erschienen sind, ergänzt um Erlebnisberichte aus dem Kampf und der Gefangenschaft. Dem Untertitel „Erinnerung und Mahnung“ entsprechend, berücksichtigt Ziegner auch die Gedenkkultur der letzten Jahre im heutigen Wolgograd – wo in Rossoschka ein zentraler Soldatenfriedhof an die Gefallenen beider Seiten erinnert.

Helmut Ziegner (Hrsg.): Stalingrad. Erinnerung und Mahnung 70 Jahre danach. Verlag Henryk Walther, Neubrandenburg 2012, broschiert, 234 Seiten, Abbildungen, 29,95 Euro

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