© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  47/12 16. November 2012

Ein Elefant im „El Pais“-Porzellanladen
Krise: Um die größte Tageszeitung Spaniens tobt ein Machtkampf zwischen Inhabern und Belegschaft / Entlassungen drohen
Michael Ludwig

Wer vor einer Woche im Zentrum von Madrid unterwegs war, konnte Zeuge eines ungewöhnlichen Schauspiels werden: 400 Demonstranten skandierten bei Dunkelheit und Regen die Zahlenfolge von eins bis 149.

Genauso viele Mitarbeiter werden bei der größten und bekanntesten Tageszeitung des Landes, El Pais (Auflage 425.000), jetzt entlassen, etwa ein Drittel der Redaktion. Anlaß ist die finanzielle Schieflage des Mutterkonzerns Prisa – eines Firmen-Konglomerates. Neben El Pais gibt Prisa die Wirtschaftszeitung Cinco Dias und die Sportzeitung as heraus, betreibt einen populären Radiosender und besitzt weitere Beteiligungen.

Nicht alle Unternehmen laufen gut. Prisa hat sich mit dem Kauf des Kabelsenders Sogecable übernommen (Preis: zwei Milliarden Euro) und tut sich schwer, die sündhaft teuren Kosten für die Fußball-Übertragungsrechte finanziell zu verdauen. Die Folge sind Schulden in Höhe von rund fünf Milliarden Euro. Im letzten Jahr fuhr Prisa einen Verlust von 451 Millionen ein. Die Verbitterung bei den Redakteuren des linksliberalen Blattes sitzt tief.

Zum einen sehen sie nicht ein, daß sie für ein desaströses Management in Haftung genommen werden sollen, obwohl El Pais Gewinne abwirft, deren genaue Höhe aber nicht bekannt ist.

Zum anderen verstehen sie ihren Präsidenten und Prisa-Geschäftsführer Juan Luis Cebriañ (Jahresgehalt 13 Millionen Euro) nicht, der sich für 2012 eine Bonuserhöhung von 30 Prozent gegönnt haben soll. Cebriañ, der mit dem Roman „El tamano del elefante“ (Die Größe des Elefanten) an die Öffentlichkeit getreten ist, scheint sich auch als ein solcher im Porzellanladen der Presse zu benehmen. Über 20 namhafte Intellektuelle, darunter Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa, haben in einem offenen Brief Partei für die Journalisten ergriffen.Obwohl über 90 Prozent der Redakteure in einen dreitägigen Streik getreten sind, gelang es El Pais-Chefredakteur Javier Moreno in der vergangenen Woche, mit Notausgaben zu erscheinen.

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