© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  47/12 16. November 2012

Abstieg auf Raten
Insolvenz: Nach jahrelangen Millionenverlusten steht die „Frankfurter Rundschau“ vor dem Aus
Rolf Dressler

Linksliberal. SPD-nah. Gewerkschaftsfreundlich. Grün-ökologisch-kämpferisch. An solchen Attributen und Zuschreibungen fehlt es gewiß nicht innerhalb und außerhalb von Politik und Medienfachwelt, seit am Dienstag dieser Woche die Nachricht die Runde gemacht hat, daß die Frankfurter Rundschau (FR) höchstwahrscheinlich endgültig vor dem Aus steht. Kommt es tatsächlich so, wofür nahezu alles spricht, würde das jahrzehntelang miteinander konkurrierende Quartett der überregionalen Tageszeitungen in Deutschland auf nur noch drei zusammenschmelzen: die Frankfurter Allgemeine, die Süddeutsche Zeitung und Die Welt.

Eines freilich können weder Krokodilstränen noch – im schlimmsten Falle – verklärende Nachrufe vernebeln und verschleiern: Die FR hatte hierzulande schon lange keinen wirklich zukunftssichernden Lesermarkt mehr. Trotz allerlei journalistisch-handwerklicher Operationen sozusagen am offenen Zeitungsherzen. Doch all das wollte nicht fruchten. Die Umstellung auf das handlichere Magazinformat zündete bei der angestammten Leserschaft letztlich ebensowenig wie bei jüngeren Publikumssemestern, auf die sich das dauerhafte Überleben naturgemäß existentiell gründet. Denn nur dann floriert auch das Anzeigengeschäft, das einer Tageszeitung nach den heutigen Marktgesetzen mindestens drei Viertel, wenn nicht vier Fünftel der Gesamterlöse in die Kassen spülen muß, um stabil auch längere konjunkturelle Talfahrten oder plötzliche Abschwünge durchstehen zu können.

Weitgehend wirkungslos verpufften zudem Versuche von Verlagsleitung und Chefredaktion, das Ruder mittels modernerer Eigenwerbung und vermeintlich flotterer Vermarktungsinstrumente noch irgendwie herumzuwerfen. Nein, so hart es klingen mag in den Ohren der Verantwortlichen und der noch Verbliebenen in der Redaktion: Die gute, bessere, alte Zeit der Rundschau ist, wie sich bitter erwies, schleichend, aber unaufhaltsam abgelaufen. Schon über mindestens ein Jahrzehnt hin bahnte sich das an, was nun in dem Insolvenzantrag vom vergangenen Dienstag seinen vorläufig traurigen Höhepunkt gefunden hat. Die Zahlungsunfähigkeit bekennen mußten wohl oder übel gleich zwei Zeitungs- und Medienunternehmen, denen der Gang zum Frankfurter Amtsgericht mächtig schwergefallen sein dürfte. Die Druck- und Verlagshaus Frankfurt am Main GmbH, welche die Rundschau herausgibt, gehört zu 50 Prozent plus einer Stimme der Kölner Mediengruppe M. DuMont Schauberg; weitere 40 Prozent der Anteile hält die DDVG/Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft, die Mediendachgesellschaft der SPD. Dritter Eigner ist die Karl-Gerold-Stiftung, benannt nach dem legendären FR-Gründer.

Doch die wirtschaftliche Situation der FR ließ kaum einen anderen Schritt zu. In den vergangenen zehn Jahren sank die verkaufte Auflage von täglich 183.000 auf 118.000 Exemplare. Hinzu kamen massive Einbrüche im Anzeigengeschäft. Allein in diesem Jahr soll die Rundschau bereits Verluste in Höhe von 16 Millionen Euro erwirtschaftet haben.

Die vielleicht letzten Hoffnungen der Beteiligten und Betroffenen knüpfen sich nun an den Insolvenzverwalter, den Frankfurter Rechtsanwalt Frank Schmitt. Das zuständige Amtsgericht stuft ihn als sogenannten „schwachen Verwalter“ ein. Das bedeutet, die bisherige Geschäftsführung bleibt vorläufig im Amt, darf jedoch Zahlungen an Dritte nur noch mit dessen Zustimmung tätigen.

Wie in solchen Notlagen üblich, wurde der Insolvenzverwalter formell zusätzlich damit beauftragt, nach einem kapitalkräftigen Investor Ausschau zu halten. Derlei Bemühungen der Anteilseigner waren aber auch schon in der Vergangenheit fehlgeschlagen und hatten den Spekulationen über eine drohende Pleite der verlustreichen Rundschau nur neuen Auftrieb gegeben – zumal sich auch die teilweise Zusammenlegung der FR mit der Berliner Zeitung als vergeblicher Versuch entpuppte, die Nummer vier der überregionalen deutschen Tageszeitungen wieder profitabel zu machen.

Daß die Frankfurter Rundschau, sollte ihr Ende besiegelt werden, in der Öffentlichkeit vermißt wird, ist kaum anzunehmen. Im ganzen gesehen dürfte sich der Schmerz in Grenzen halten. Zu sehr treibt die Zunft der Medienmacher und vor allem deren Geldgeber die Sorge um, wann wen von ihnen womöglich ein ähnliches Schicksal ereilen könnte. Denn gleichermaßen drücken fast alle deutschen Zeitungsverlage seit längerem teils dramatisch sinkende Verkaufszahlen. Zudem schrumpft das Anzeigengeschäft. Selbst die überregionalen und lokalen Flaggschiffe von gestern sind davon nicht ausgenommen. Fast schon panisch suchen viele Verlagsstrategen ihr Online-Heil im nach wie vor defizitären Internet. Und der Aufsichtsrat des Hamburger Medienriesen Gruner + Jahr wird am 21. November 2012 womöglich einen extra schweren Medienhammer fallen lassen: Mit einem Schlag könnten dann die Financial Times Deutschland, Capital, Impulse und „Börse online“ beerdigt werden. „Die Tendenz geht Richtung Schließung“, unkte man bereits am Montag im Spitzenmanagement.

Foto: Publizistisches Urgestein: Die „Frankfurter Rundschau“ erscheint seit August 1945, nun droht das Ende

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