© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  47/12 16. November 2012

CD: J. S. Bach
Musikalisches Hörspiel
Sebastian Hennig

Gleichermaßen biblio- wie audiophil ansprechend ist die Edition der Brandenburger Konzerte von Johann Sebastian Bach durch die Schweizer Freitagsakademie geraten. Ein feines Mäppchen aus gerilltem Karton mit Etiketten im Prägerahmen, tiefblauer Innenverspiegelung und schwarzen Kuverts für die zwei Klangscheiben wetteifert haptisch und visuell mit dem eigentümlichen Hörerlebnis.

Das ist weniger eine Musikeinspielung als vielmehr ein musikalisches Hörspiel. Die meisten Hörspielproduktionen des Rundfunks entbehren heute eines narrativen roten Fadens, und die aristotelischen Einheiten von Raum, Zeit und Handlung sind obsolet. Viele Musikproduktionen sind gleichfalls zu einer digital-mechanischen Schmiere perfektioniert, die keinen Eindruck mehr hinterläßt. Da ist diese Erinnerung an die festliche und spirituelle Seite der Musik eine statthafte Korrektur.

Es gab bereits 1967 den Film von Straub und Huillet, in dem der holländische Musiker Gustav Leonhardt Bach darstellte. Darin lernte man Bach durch Leonhardt und Leonhardt durch Bach kennen. Gegen solch kompromißlosen Anspruch der Vergegenwärtigung ist das natürlich Alfanzerei. Aber an diesem Anspruch darf nicht gemessen werden. Das wird schon in der Wahl des Stückes deutlich. Auch chronologisch ist der Abschnitt eine Ouvertüre zum Leipziger Bach. Hier wird eine Liebesaffäre, eine verhängnisvolle Dreiecksgeschichte erzählt. Im Beiheft verweisen die Tagebuchaufzeichnungen Bachs auf die stürmischen Jahre zwischen 1717 und 1723. Die Sopranistin Anna Magdalena Wilcke und der Kapellmeister Johann Sebastian Bach sind auf dem Wege, ein göttliches Paar vom Format Johann Adolf Hasses und der Faustina Bordoni zu werden. Doch die Gattin des Fürsten Leopold steht dazwischen: „Leopolds Frau Friederike (Henriette) macht mich krank. Sie ist eine Hexe. Ihre Eifersucht auf meine Musik ist unerträglich.“

Der Fürst leidet wohl selber unter der Bigotterie seiner Frau und rät Bach, die sechs Konzerte für Christian Ludwig von Brandenburg-Schwedt zu verfassen. Bach heiratet seine Anna Magdalena und im Frühjahr 1723 steht der Entschluß fest, nach Leipzig zu gehen. Trotz aller Bemühungen, an den Höfen in Dresden und Potsdam Geltung zu erlangen, wird es einen so heidnisch-prunkvollen Anlaß wie das Sonnenwendfest 1721 in Köthen in dieser Musikerlaufbahn nicht mehr geben. „Gestern alle Six Concerts (avec plusieurs instruments) gespielt. Die ganze Stadt ein Ballsaal. Meine Musik hat jeden Winkel von Köthen erfüllt. Ein rauschendes Fest, ganz nach Leopolds Wünschen.“

Mit Hufgetrappel wird man in die musikalische Handlung eingeführt. Musik weht aus der Ferne heran. Angelangt am Köthener Schloß ertönt ein Gong und der Garten verwandelt sich in einen Ballsaal. Auf hohem tontechnischen Niveau wird der Klang geerdet, mit Nebengeräuschen verunreinigt. Ein Feuerwerk knattert in die Musik. Zuletzt ist das wohlige Knistern des Sonnenwendfeuers zu vernehmen.

Die Aufnahme ist diszipliniert ohne Willkür. Statt digitaler Mehrspurtechnik wurde mit zwei Kugelmikrophonen direkt auf Magnetband aufgezeichnet. Nur schade, daß es die Platte nicht auch in Vinyl gibt.

Die Freitagsakademie: Bach – The Brandenburg Concertos, The Celebration Winter & Winter (Edel), 2012 www.winterandwinter.com

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen