© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  47/12 16. November 2012

Nur noch ein Verlustgeschäft
Wirtschaftsliteratur: Der Finanzjournalist Michael Grandt warnt erneut vor dem Kollaps von Lebensversicherungen / Nebenwirkungen der Euro-Krise
Jörg Fischer

Eins ist sicher: Die Rente“, plakatierte vor einem Vierteljahrhundert der damalige Bundesarbeitsminister Norbert Blüm. Dafür erntete der CDU-Politiker viel Häme – doch die 1957 eingeführte umlagefinanzierte Gesetzliche Rentenversicherung (GRV) funktioniert noch. Der Beitragssatz ist mit 18,9 Prozent ab 2013 sogar niedriger als zu Zeiten von Blüms Plakataktion. Niedriger sind allerdings auch die Neurenten, künftig sind es weniger als die Hälfte des Durchschnittslohns. Die Lücke könne die Privatrente schließen, behaupten Lobbyisten und Politiker. Und zu D-Mark-Zeiten waren Kapitallebensversicherungen – dank Steuerprivilegien und trotz üppiger Provisionen und Verwaltungskosten – kein schlechtes Geschäft.

Aber schon vor der Euro-Einführung beklagte der Ökonom Wolfram Engels, das „Tollhaus der Finanzmärkte“ und die „Fehlkonstruktion unserer Geldverfassung“. Der Initiator des wirtschaftsliberalen „Kronberger Kreises“ warnte: „Unser Geld ist so unzuverlässig geworden, daß kein Mensch, der seine fünf Sinne beisammen hat, seine Altersvorsorge auf Geldvermögen bauen würde.“ Die Politik tat das Gegenteil und trieb mit Riester und Rürup der Branche neue Kunden zu – gelockt mit Staatsmilliarden, die ihrerseits wiederum am Geldmarkt geborgt werden mußten.

Spätestens der Lehman-Kollaps des „Kasino-Kapitalismus“ (Hans-Werner Sinn) und die Euro-Krise hätten hellhörig machen sollen. Doch der Finanzjournalist Michael Grandt gehörte zu den wenigen, die den „Crash der Lebensversicherungen“ (Kopp Verlag 2009) an die Wand malten. Seine Analyse der „Lüge von der angeblich sicheren Vorsorge“ wurde als Panikmache abqualifiziert. Jörg Westphal, Chef von Protektor, der Sicherungseinrichtung der Versicherer, beruhigte die Deutschen mit ihren etwa 94 Millionen Verträgen mit dem Versprechen, sie seien „die am besten geschützten Versicherungskunden“.

Doch wie in der demographiegebeutelten GRV gilt: Die Leistungshöhe ist keineswegs geschützt. Grandt greift die Problematik in seinem neuen Buch „Vorsicht Lebensversicherung!“ wieder auf – und er wird diesmal brandaktuell bestätigt. „Lebensversicherung auf der Kippe“, meldete das Handelsblatt. Beim schwächsten Fünftel der Versicherer entstünden bei einer dauerhaft niedrigen Verzinsung von Staatsanleihen erhebliche Risiken. Für sie reichten die vorhandenen Kapitalanlagen ab 2018 möglicherweise nicht mehr aus, „um neben den versicherungstechnischen Rücklagen auch die Eigenmittelanforderungen zu decken“, wurde ein Protokoll aus dem Finanzausschuß des Bundestags zitiert. „Lebensversicherer wollen Garantiezins aussetzen“, spekulierte die Bild.

Grandt widmet dem „Garantiezins ohne Garantie“ ein ganzes Kapitel. Bis 2000 lag dieser noch bei vier Prozent, derzeit sind es nur noch 1,75 Prozent. Für die gepriesene „Überschußbeteiligung“ gab es ohnehin nie eine Garantie. Staatspapiere (die unter anderem die Riester-Zulage finanzieren) und andere Geldmarktpapiere bringen wegen der Niedrigzinspolitik der Zentralbanken jedoch deutlich weniger Rendite.

Die Versicher geraten trotz Rücklagen in Schwierigkeiten. Bei Staats- und Bankpleiten (40 Prozent des Kapitals sind direkt oder indirekt bei Geldhäusern angelegt) droht Existenznot. Berücksichtigt man die Kosten – nur 75 bis 90 Prozent des Beitrages werden überhaupt verzinst – dann macht der Kunde ein Verlustgeschäft. Häuslebauer, die ihre Police zur Tilgung einer Hypothek abgeschlossen haben, sind doppelt gebeutelt – ihnen droht der Verlust ihrer Immobilie. Grandt listet 30 Gründe auf, die gegen Kapitalpolicen sprechen. Dennoch rät er davon ab, Altverträge einfach zu kündigen, das bringe noch größere Verluste. Auch Risikoversicherungen (solche ohne Sparanteil) seien sinnvoll.

Grandt empfiehlt konservative Sachwerte ohne zwischengeschaltete Finanzdienstleister, und er gibt den Rat: „Machen Sie keine Schulden“, denn „bei einer Währungsreform wird der Gesetzgeber nicht die Schulden erlassen, sondern diese mit Faktor X auf die neue Währung umstellen“. Bismarcks 1891 eingeführte Altersversicherung war ursprünglich auch kapitalgedeckt – zu Zeiten des Goldstandards verständlich. Doch der Erste Weltkrieg und die folgende Papiergeldinflation entwerteten die Reserven, Steuerzuschüsse und der Einstieg ins Umlageverfahren begannen.

Michael Grandt: Vorsicht Lebensversicherung! Was Sie wissen müssen, um Ihr Geld zu schützen. Kopp Verlag, Rottenburg 2012, gebunden, 191 Seiten, 19,95 Euro

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