© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  47/12 16. November 2012

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Ein Abwehrzentrum für alle
Marcus Schmidt

Immer wenn etwas passiert, raufen sich die Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern zusammen und vereinbaren eine engere Zusammenarbeit. Das war nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 der Fall, die – drei Jahre später, aber immerhin – Ende 2004 zur Gründung des Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrums in Berlin-Treptow führte. Dort werden seitdem die Informationen von Polizei und Geheimdiensten über den international operierenden islamistischen Terrorismus gebündelt.

Wesentlich schneller reagierte das Innenministerium nach der Aufdeckung der Mordserie, die dem Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) zugeschrieben wird. Bereits fünf Wochen nach der Aufdeckung eröffnete Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) im Dezember 2011 das Gemeinsame Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus. Schon damals wurde gefragt, wann denn die anderen „Phänomenbereiche“, also der Links- und der nicht religiös motivierte Ausländerextremismus sowie die Spionage die Aufmerksamkeit eines Abwehrzentrums bekommen.

Das Bundesinnenministerium hat diese Frage in der vergangenen Woche mit einer Terminankündigung beantwortet, die bei einigen Innenministern der Bundesländer für Überraschung gesorgt hat. An diesem Donnerstag bereits will Friedrich das bestehende Rechtsextremismus-Zentrum an den Standorten Köln (Bundesamt für Verfassungsschutz) und Meckenheim (Bundeskriminalamt) zu einem Terror- und Extremismuszentrum erweitern, daß künftig auch den Links- und Ausländerextremismus in den Blick nimmt. „Ich bin überrascht. Ich habe das so nicht gewußt“, sagte Sachsen-Anhalts Ressortchef Holger Stahlknecht (CDU) der Mitteldeutschen Zeitung. Ob sein Land mitmachen werde, ließ der merklich verstimmte Minister offen. Kritik kam auch von der Opposition. „Das ist ein Profilierungsversuch zur Unzeit“, tadelte der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Michael Hartmann, Friedrich im Kölner Stadt-Anzeiger. Hartmann zeigte sich „nicht ganz sicher, ob der Bundesinnenminister die Rechnung nicht ohne die Länder gemacht hat“. Friedrichs Sprecher, Jens Teschke, war angesichts des Echos „etwas erstaunt“. Über die Pläne für das erweiterte Zentrum sei mit den Ländern gesprochen worden. Manchen Kritikern geht es tatsächlich auch um weit mehr als nur um die Abstimmungsprobleme – ihnen paßt die ganze Richtung nicht.

Denn mit dem neuen Zentrum wird der Linksextremismus mit dem islamistischen Terrorismus und – das ist der Knackpunkt – mit dem Rechtsextremismus gleichgestellt. Daran stoßen sich vor allem viele in der SPD, bei Grünen und der Linkspartei sowieso. Der Rechtsextremismus werde verharmlost, wenn er genauso behandelt werde wie der Linksextremismus, heißt es. Die innenpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Ulla Jelpke, brachte ihre Ablehnung auf den Punkt: „Das Vorgehen entspricht Friedrichs Phantasie, die neofaschistischen Kameradschaften seien mit der linken Szene gleichzusetzen. Das ist reine Ideologie und hat mit der Realität nichts zu tun.“

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