© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  46/12 09. November 2012

CD: Black Metal
Eisige Klangwand
Sebastian Rast

Wodensthrone sind eine der eher dünn gesäten Black- Metal-Bands aus dem Vereinigten Königreich. Im Winter 2005 aus der Taufe gehoben, zuerst durch eine gemeinsame Veröffentlichung mit den ähnlich atmosphärisch veranlagten Weißrussen von Folkvang aufgefallen, stehen die Briten für kalten Black Metal mit Tiefgang, der zuweilen effektvoll auf akustische Instrumentierung und folkloristische Elemente zurückgreift.

Dabei dürfen sich Freunde dieser Musik an die seit einiger Zeit populären Walknut erinnert fühlen, aber auch die Depressiv-Metaller von Austere kommen einem hinsichtlich der melodischen Gitarrenarbeit in den Sinn. Nach ihrem Debüt „Loss“ (2009) liegt nun mit „Curse“ das zweite Studioalbum der Briten vor, und bereits die ersten Minuten von „Jormungandr“, zu deutsch „Midgardschlange“, versprechen eine faszinierende musikalische Reise in die düsteren Bereiche nordischer Mythologie, die den Hörer über die gesamte Spielzeit von über einer Stunde fesselt. In einem Genre verwurzelt, das in den letzten Jahren viele eher mittelmäßige Veröffentlichungen hervorgebracht hat, fällt das Quintett aus der nordenglischen Hafenstadt Sunderland positiv aus der Reihe.

Glücklicherweise hat man sich außerdem für eine professionelle Produktion entschieden, welche die einzelnen Instrumente gut zur Geltung kommen läßt. Denn hinter einer regelrechten Wand aus eiskalten Gitarrenklängen verbergen sich oft schöne Melodien und eine subtile Arbeit an Keyboard und Baß. Ob atmosphärisch-melancholisch wie in „First Light“ oder stürmisch und wechselhaft wie bei den „Battle Lines“, die acht Stücke inklusive Intro bieten viel Abwechslung.

Für mit dem Genre weniger vertraute Hörer könnte sich lediglich die Überlänge der Lieder als problematisch erweisen; das Schlußstück „The Name of the Wind“ bringt es gar auf beachtliche dreizehneinhalb Minuten, entschädigt aber durch entsprechenden Abwechslungsreichtum und kann als gelungene Zusammenfassung des zuvor gehörten verstanden werden.

Bei jedem neuen Durchlauf im CD-Spieler entdeckt man als Hörer weitere Facetten, die einem zuvor nicht aufgefallen sind. So mischt sich gelegentlich eine zweite Gitarre sorgfältig abgestimmt auf die anderen Instrumente ein, und die ruhigen Zwischenpassagen wissen immer wieder mit ihrer Ausdrucksstärke zu überraschen.

Stark sind auch die Texte zur Musik: Neben mythologischen Motiven scheut man auch nicht davor zurück, eine thematische Brücke zum Hier und Jetzt zu schlagen: „Sucht nicht nach Göttern, eure Ketten zu zerschlagen; Faßt Mut und Willen, sie selbst zu brechen“, heißt es ins Deutsche übersetzt in dem Stück „Battle Lines“ und kann als Botschaft an unsere Zeit gelesen werden.

Wodensthrone verzichten musikalisch weitgehend auf genrefremde Anleihen und bieten damit auf „Curse“ nicht bloß irgendein Album, sondern eine Spielart des Black Metal, die man mittlerweile unter einer Flut von Veröffentlichungen suchen muß: Handgemachte, atmosphärische Musik mit Tiefgang, die keine politischen Provokationen, depressive Selbstmitleidsorgien oder satanistische Abstrusitäten braucht, um zu beeindrucken. Herbst-Tip!

Wodensthrone, Curse Candlelight Records, 2012 www.candlelightrecords.co.uk

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