© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  46/12 09. November 2012

Sachsens vergeblicher Kampf gegen Autodiebe
Kriminalität: Täter kommen meist aus Tschechien und Polen
Paul Leonhard

Mit zwei Großeinsätzen hat die sächsische Polizei jüngst versucht, den Autodiebstahl in Dresden einzudämmen. Denn der Staatsregierung schmeckt überhaupt nicht, daß die Landeshauptstadt als Hochburg der Autodiebe gilt. Knapp 500 Autos verschwanden im ersten Halbjahr dieses Jahres, 68 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Die meisten zwischen 22 und 5 Uhr.

Dresden liegt seit dem Wegfall der Grenzkontrollen nach Polen und Tschechien für Autodiebe geradezu ideal. Die Großstadt bietet ausreichend gewünschte Fahrzeugmarken, ausgebaute Autobahnen zur Grenze und schwer kontrollierbare Tatorte. So verschwanden in den Jahren 2010 und 2011 bereits 1.045 beziehungsweise 926 Autos und Motorräder, im ersten Halbjahr dieses Jahres wurden 497 gestohlen und weitere 139 beim vergeblichen Aufbruchversuchen beschädigt.

Im Juli startete Sachsens Polizei – unterstützt von Bundespolizei und Zoll – ihre erste konzertierte, mehrtägige Aktion, der sie den Namen des griechischen Sonnengottes „Helios“ gab. Hubschrauber, Pferde- und Fahrradstaffeln, selbst die Kriminalpolizei wurden eingesetzt, die Ausfallstraßen blockiert, Lockfahrzeuge und Zivilbeamte eingesetzt. „Es ist eine Frage der Ehre“, ließ sich Dresdens Kripochef Maik Mainda zitieren. Im Ergebnis des täglichen Einsatzes von Hunderten Beamten ging zwar die Zahl der gestohlenen Autos im Juli in Dresden zurück, erwischt wurden aber nur vier Autodiebe. Davon wurde einer inzwischen zu 15 Monaten Haft verurteilt.

Noch dürftiger ist das Ergebnis von „Helios II“, einer weiteren zweiwöchigen Großaktion im Oktober. Bei mehr als 8.000 Personenkontrollen wurden lediglich zwei Autodiebe auf frischer Tat gestellt. Dafür staute sich der Verkehr auf den Dresdner Ausfallstraßen. Die Boulevardpresse, die beinahe täglich berichtete, spottete „Autoknacker gegen Polizei – 2:2 unentschieden“. Trotz des Fahndungsdrucks verschwanden 14 Fahrzeuge, bei weiteren vier scheiterten die Kriminellen an der eingebauten Sicherheitstechnik. Ein wirksamer Schlag gegen die nach Polizeierkenntnissen international organisierten Autoschieberbanden ist nicht gelungen. Bei den beiden verhafteten Autodieben handelt es sich um einen 30 Jahre alten Tschechen, der mit einem in Halle an der Saale entwendeten Skoda Octavia unterwegs war, und einen 40jährigen Polen in einem im südlichen Rheinland gestohlenen Audi A6. Beide Täter wurden bei Kontrollen in Sebnitz und Pirna erwischt. Außerdem wurde ein 37 Jahre alter Tscheche festgenommen, der neben anderen Einbruchswerkzeugen auch zwei Kfz-Diagnosegeräte bei sich hatte.

Fahrzeuge aus der Volkswagengruppe sind bei den Autodieben besonders beliebt. So wurden im vergangenen Jahr in Dresden 129 Skoda Octavia gestohlen und trotz des Fahndungsdrucks bis Ende Juli erneut 190 entwendet oder aufgebrochen. Skodas würden so gern gestohlen, weil die Täter mit der Technik klarkommen und ein Markt für die Autos da ist, weiß Dresdens Polizeipräsident Dieter Kroll. Das Knacken elektronischer Wegfahrsperren sei eine Spezialität ausländischer Täter. Sie kenne keinen deutschen Dieb, der eine Wegfahrsperre überwunden hätte, läßt sich die Leiterin des zuständigen Kommissariats von den Medien zitieren.

Wie schnell die Diebe sind, zeigt, daß einige Autobesitzer vom Verschwinden (und Wiederfinden) ihres Fahrzeuges erst von der Polizei erfuhren. Gleichzeitig werden an den deutschen Außengrenzen von der Bundespolizei vermehrt Autos sichergestellt, die ganz oder teilweise aus Diebstählen stammen und auf osteuropäischen Automärkten mit frisierten Papieren verkauft wurden.

Obwohl Polizeipräsident Dieter Kroll einräumt, daß die Großeinsätze nicht nachhaltig sind, träumt er von neuen Aktionen mit einem „noch stärkeren Zusammenwirken und damit einer größeren Ausdehnung im Verkehrswegenetz“, winkt Sachsens Innenminister Markus Ulbig ab. Es werde für die Dresdner Polizei keine zusätzlichen Kräfte geben. Aufwand und Nutzen der Großeinsätze seien abzuwägen. Der CDU-Politiker favorisiert längst den Einsatz von Kennzeichen-Erfassungsgeräten. Und im Innenministerium macht man sich Gedanken über die nächtlichen Aktionen: Die Zuschläge für die Polizisten sollen gekürzt werden.

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