© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  45/12 02. November 2012

Haltungsnote
Was Texas mit Belarus verbindet
Christian Rudolf

Na, wenn das nicht der Nationalstolz eines freien texanischen Mannes ist! Sich vom Ausland bei Präsidentschaftswahlen dazwischenfunken, gar observieren und womöglich hernach noch maßregeln lassen! So geht’s ja nicht! Der Generalstaatsanwalt des südlichsten US-Bundesstaates machte den Wahlbeobachtern der OSZE eine ganz klare Ansage: Wer mehr als 30 Meter an ein Wahllokal heranrückt, könnte einen „kriminellen Akt“ begehen und riskiere verhaftet zu werden, schrieb Greg Abbott der Organisation, deren Mitglied die USA sind, in einem offenen Brief. Hört sich das nicht irgendwie an wie: „Kommt der Schwingtür unseres Saloons nur ja nicht zu nahe, sonst rauchen die Colts!“

Tja, so breitbrüstig tritt ein echter Sheriff auf, Cowboy-Hut ab! „Gruppen und einzelne außerhalb der Vereinigten Staaten dürfen nicht in den Wahlprozeß in Texas eingreifen oder ihn beeinflussen“, verteidigte der oberste Gesetzeshüter mit Republikaner-Parteibuch die nationale Souveränität. Nun ist das ja auch gar nicht die (offizielle) Aufgabe der beängstigend vielen ganzen 44 (!) Beobachter aus aller Herren Länder, die US-weit den Wahlvorgang beäugen und auf Rechtmäßigkeit hin beurteilen sollen, aber weiß man’s so genau? „Unsere Sorge ist, daß das keine harmlose Beobachtung ist“, unkte Abbott mit falkenhafter Witterung für Gefahr, „sondern etwas, das weit darüber hinausgeht und sogar ein Versuch der Wählerbeeinflussung sein kann.“

Ein potentielles Sicherheitsrisiko also! Oder gar Spione? Denn was die besondere Qualifikation der aus solch demokratieerfahrenen Staaten wie Weißrußland, Kasachstan und Kirgisien entsandten Beobachter sein soll, um einen Urnengang in der Neuen Welt zu beurteilen, mag sich in der Tat nicht erschließen. Übrigens: In den genannten Ländern gelten die OSZE-Leute ganz wie in Texas als ungebetene Gäste.

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