© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  45/12 02. November 2012

Frisch gepresst

Ostpreußens Wiederaufbau. Im Ersten Weltkrieg war es nur dem östlichsten Feind gelungen, auf das Territorium des Deutschen Reiches vorzudringen. Mit zwei Armeen fielen die Russen im August 1914 in Ostpreußen ein, besetzten zwei Drittel der Provinz bis tief ins Ermland hinein, wurden nach drei Wochen bei Tannenberg vernichtend geschlagen, zogen sich jedoch aus den östlichen Grenzregionen endgültig erst nach der masurischen Winterschlacht im Februar 1915 zurück und hinterließen Zonen der Verwüstung. Doch schon Ende 1914 begann der Wiederaufbau in den befreiten Städten und Dörfern. Rechenschaft von diesem bis 1922 glänzend gelungenen Unternehmen gibt ein 1928 in Königsberg veröffentlichter, von Erich Göttgen edierter Prachtband. Bis heute unersetzlich, liegt er auch der Monographie des polnischen Architekturhistorikers Jan Salm zugrunde, die zudem viele Reproduktionen aus Göttgens Bilderfundus enthält. Salms kenntnisreiche Untersuchung, die die fast ausschließlich deutsche Literatur zum Thema mit bestechender Gründlichkeit auswertet, stellt zu Recht nicht die architektonischen Leistungen in den Vordergrund, sondern analysiert den Zusammenhang von ästhetischer und sozialpolitischer Programmatik bei der „Verheimatung“ der zurückgekehrten Flüchtlinge und beim modellhaften „Aufbau eines neuen Deutschland“ (Nils Aschenbeck). (ob)

Jan Salm: Ostpreußische Städte im Ersten Weltkrieg. Wiederaufbau und Neuerfindung. Oldenbourg Verlag, München 2012, gebunden, 304 Seiten, Abbildungen, 39,80 Euro

 

Preßburg. Daß es historischer Zäsuren nicht bedarf, sich die Veränderung ethnischer und nationaler Bevölkerungsanteile auch allmählich vollziehen kann, weist die Sozialwissenschaftlerin Iris Engemann (Frankfurt/Oder) am Beispiel Preßburgs (Bratislava, Pozsony) ebenso detailliert wie analytisch nach. So spürt ihre Dissertation den kulturpolitischen Hintergründen nach, warum sich nur innerhalb einer Generation die nationale Zusammensetzung der Donaustadt so massiv änderte. Mitte des 19. Jahrhunderts zu mehr als 75 Prozent deutschsprachig, erfuhr diese zu k.u.k.-Zeiten bis 1918 eine starke Magyarisierung. Doch durch raffiniert-rücksichtslose Strategien konnte Bratislava sich bereits 1938 als neue Hauptstadt der Slowakei im weitgehend „slowakisierten“ Gewande präsentieren. (bä)

Iris Engemann: Die Slowakisierung Bratislavas. Universität, Theater und Kultusgemeinden 1918–1948. Harrassowitz Verlag, Wiesbaden 2012, broschiert, 287 Seiten, 52 Euro

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