© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  45/12 02. November 2012

Sozialismus durch die Hintertür
Freiheit hat nichts mit Mitbestimmung, sondern etwas mit Selbstbestimmung zu tun: Zwei Libertäre aus den Niederlanden kritisieren das demokratische Prinzip
Erich Weede

Zwei niederländische Schriftsteller kritisieren die Demokratie, weil sie nach ihrer Auffassung notwendigerweise ein Übermaß an Fremdbestimmung impliziert und die Gesellschaft in Richtung Sozialismus führt oder verführt. Karsten und Beckman bauen auf der liberalen politischen Philosophie, der klassischen Ökonomik, der Österreichischen Schule der Ökonomik, deren bekannteste Vertreter Ludwig von Mises und Friedrich August von Hayek sind, und dem zeitgenössischen libertären Denken in den USA auf, wie sie im Nachwort erläutern. Gleich in der Einleitung stellen sie klar: „Demokratie ist (...) ein kollektivistisches System. Es ist Sozialismus durch die Hintertür.“ Ihr wichtigster Kritikpunkt an der Demokratie ist also, daß zu viele Fragen von Kollektiven – Wählern, Parteien, Politikern – und nicht etwa von den betroffenen Individuen allein entschieden werden. Daß sich alle Demokratien auf die absehbare Alterung unserer Gesellschaften nur mit Verschuldung statt mit demographiefesten Sicherungssystemen vorbereitet haben, ist da schon fast eine Nebensache.

Im auf die Einleitung folgenden ersten Teil werden 13 Mythen der Demokratie kritisiert, von denen hier nur wenige herausgegriffen werden können. Gegen den Mythos, daß jede Stimme zähle, setzen sie folgende Aussage: „Wählen bedeutet die Illusion des Einflusses im Austausch gegen den Verlust der Freiheit.“ Damit erinnern sie an das in der Massengesellschaft notwendigerweise geringe Gewicht jeder Stimme. Gegen den Mythos, daß Demokratie, die sie von Rechtsstaatlichkeit und wirtschaftlicher Freiheit unterscheiden, das Wirtschaftswachstum fördere, wenden sie folgendes Argument: „Die Bürger werden ermutigt, Vorteile auf Kosten anderer zu gewinnen – oder ihre Lasten auf andere abzuwälzen.“ Immer wieder betonen Karsten und Beckman, daß Freiheit nichts mit Mitbestimmung, sondern nur etwas mit Selbstbestimmung oder der Begrenzung politischer, damit auch demokratischer Entscheidungen zu tun habe. Sie bezweifeln eine Affinität von Demokratie und Toleranz. Manche Minderheiten würden heute im Gegensatz zu gestern nicht mehr diskriminiert, wie Homosexuelle oder Feministen, andere aber erst jetzt, wie Raucher, oder immer noch Drogenkonsumenten. Die Autoren sehen die bessere Alternative zur Demokratie in weniger Politik.

Im zweiten Teil werden Bürokratisierung, Regulierung, Staatsverschuldung und drohende Inflation beklagt. Im dritten Teil suchen Karsten und Beckman nach Alternativen zur Demokratie. Prinzipiell sind sie für Dezentralisierung und politischen Wettbewerb. Großstaaten und großflächige Projekte, wie die Europäische Union, betrachten sie als Bedrohung der Freiheit. Eher schon Gnade vor ihren Augen findet die Schweiz mit ihrer kantonalen Selbstbestimmung oder Liechtenstein. Sie hoffen, daß der technische Fortschritt mehr Freiheit und Exit-Optionen ermöglicht.

Das Buch ist exzellent geschrieben, leicht zu lesen, aber dennoch kompetent. Kenner erkennen zum Beispiel sachlich richtige Aussagen zur Österreichischen Konjunkturtheorie oder zu Hayeks geldpolitischen Überlegungen. Natürlich gibt es auch Lücken, etwa die rationale Ignoranz aus der Public-Choice-Schule oder ökonometrische Studien zu den Wachstumseffekten der Demokratie. Aber welches kurze und allgemeinverständliche Buch kann Lücken vermeiden?

Schwerer wiegt das grundsätzliche Problem, daß unklar bleibt, ob einige Probleme nicht doch kollektiv entschieden werden müssen, weil es um öffentliche Güter geht, ob dann nicht die Demokratie zumindest beanspruchen darf, das kleinste Übel zu sein. In einer Zeit, wo die westlichen Demokratien alle mehr oder weniger unter Überschuldung leiden, ist es allerdings gut, daß einmal diskutiert wird, ob die gemeinsamen Defizite fast aller Demokratien möglicherweise etwas mit der Gemeinsamkeit des politischen Systems zu tun haben.

Frank Karsten, Karel Beckman: Wenn die Demokratie zusammenbricht. Warum uns das demokratische Prinzip in eine Sackgasse führt. Finanzbuch-Verlag, München 2012, broschiert, 189 Seiten, 14,99 Euro

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