© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  45/12 02. November 2012

Wie sich Neo-Klassiker blamieren
Parteigänger des Kommunismus: Künstler wie Hans Werner Henze und Peter Hacks blieben stets unbelehrbar
Andreas Wild

Müssen künstlerische Neo-Klassiker eigentlich mit Notwendigkeit politische Dummköpfe sein? Manchmal könnte man es fast glauben, etwa wenn man sich Leben und Werk solcher Meister wie des Schriftstellers Peter Hacks (1928–2003) oder des Komponisten Hans Werner Henze (1926–2012) zu Gemüte führt.

Sie ließen sich im Künstlerischen nicht im geringsten auf irgendwelche aktuellen Kanons festlegen, auch wenn der Druck aus der Kollegenschaft noch so groß war, sie schöpften die zur Verfügung stehenden Methoden und Topoi, ob traditionelle oder zeitgenössische, voll aus, und zwar mit Könnerschaft, ja Genialität. Aber im Politischen gebärdeten sie sich als die wildesten Stalinisten, gaben die blödsinnigsten Reden von sich und waren gänzlich unbelehrbar. Niemand zwang sie dazu, sie taten alles freiwillig.

Dem vergangenen Samstag in Dresden im Alter von 86 Jahren verstorbenen Hans Werner Henze konnte keiner seiner „seriellen“ Widersacher das Wasser reichen, weder Luigi Nono noch Pierre Boulez, er überspielte sie einfach, indem er gegebenenfalls ihre „modernen“ Techniken viel besser einsetzte als sie selbst. Gleichzeitig aber „emigrierte“ er 1953 aus Deutschland nach Italien, schloß sich dort der stur-dogmatischen Kommunistischen Partei unter ihrem Generalsekretär Palmiro Togliatti an – die KPI galt seinerzeit als die mitglieder- und wählerstärkste Kommunistische Partei Westeuropas – und blieb bis über deren Niedergang hinaus ihr treuester Genosse.

Mit Peter Hacks war es ähnlich, nur schlug bei ihm die politische Dummheit – er war, wie gesagt, Dichter, kein Musiker – allzu oft direkt ins künstlerische Werk durch und gebar dann beispielsweise noch im Jahr 2001 folgende Verse:

Wer kann die Pyramiden überstrahlen?

Den Kreml, Sanssouci, Versailles, den Tower?

Von allen Schlössern, Burgen, Kathedralen

Der Erdenwunder schönstes war die Mauer.

Mit ihren schmucken Türmen, festen Toren.

Ich glaub, ich hab mein Herz an sie verloren.

Er hat es tatsächlich ernst gemeint! Nie ist die Berliner Mauer mit klassisch-schöneren Versen umhüllt worden. Und noch nie hat sich ein Neo-Klassiker tiefer blamiert als hier.

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