© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  45/12 02. November 2012

Grüße aus Wien
Elan und Stillstand
Michael Howanietz

Der österreichische Nationalfeiertag wird in Wien traditionell mit einer „Leistungsschau“ des Bundesheeres begangen. Der Ansturm war enorm. Hunderttausende tummelten sich am vergangenen Freitag auf dem Heldenplatz vor der Hofburg, um der Angelobung von 1.000 Jungmännern beizuwohnen und um ausgestellte Panzer, Kampfhubschrauber und den Eurofighter zu bestaunen.

Kinder erkletterten übermannshohe Panzerfahrzeuge, wohnten Demonstrationen zum raschen Brückenbau bei, warteten geduldig vor hoch aufragenden Kletterwänden und dem kleinen Oval, in dem sie eine Runde hoch zu Pferde zurücklegen durften.

Parallel dazu hatten viele Besucher rasch auch den nebenan liegenden Rathausplatz für sich entdeckt, auf dem Wissenswertes über die Blaulichtorganisationen zu erfahren und zu sehen war. Die auch zur Finanz- und Feuerwehrstadträtin berufene Vizebürgermeisterin, die wenige Monate zuvor drei Feuerwachen hatte schließen lassen, um „die Sicherheit in der Stadt zu erhöhen“, glänzte wohlweislich durch Abwesenheit.

Das taten auch die Volksvertreter, die sich beim „Tag der offenen Tür“ im benachbarten Parlament den Fragen ihrer Wähler hätten stellen können. Immerhin fanden sich Mandatsträger von vier der fünf Parlamentsfraktionen in den Sprechzimmern ein, um bald festzustellen, daß die Besucher, die gut zur Hälfte Touristen waren, mehr Interesse an der Architektur des Gebäudes denn an den Architekten der mit zunehmender Skepsis verfolgten politischen Skandalvorgänge im Land zeigten. Das von Jörg Haider gegründete Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) verweigerte sich dem Anlaß überhaupt, vermutlich um die eigenen Abgeordneten durchzuzählen, von denen bereits fünf zu dem vom Austro-Milliardär begründeten Team Stronach gewechselt sind.

Gegen 17 Uhr legte sich allmählich die Dunkelheit eines kühlen Herbstabends über die Schauplätze. Das Publikum verlief sich, um sich kurz vor 20 Uhr vor dem häuslichen Bildschirm einzufinden und der Ansprache des Bundespräsidenten Heinz Fischer zu lauschen. Dessen vom Timbre säuselnder Zugluft und der körpersprachlichen Dynamik eines Schlafenden getragene Feiertagsbotschaft brachte den Zuseher auf den Boden der Tatsachen zurück. Die Dynamik der Gefechtsvorführungen des Jägerbataillons 25 sowie die Exerziervorführung der Garde war da schon wieder längst vergessen.

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