© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  44/12 26. Oktober 2012

Jörg kachelt zurück
Mit über 90 einstweiligen Verfügungen ging der freigesprochene Wettermoderator erfolgreich gegen Medienhetze vor
Toni Roidl

Am 20. März 2010 wurde Jörg Kachelmann verhaftet. Im Juni wurde sein Antrag auf Aufhebung des Haftbefehls zunächst abgewiesen, Ende Juli gab ihm das Gericht doch statt. Dazwischen saß der Meteorologe 132 Tage in Haft. Am 31. Mai 2011 dann erst Freispruch, Revision und schließlich die Bestätigung des Freispruchs im Oktober 2011.

Rund eineinhalb Jahre war der Fall für die Medien ein warmer Regen: Wetterfrosch vergewaltigt heimliche Geliebte ... oder etwa doch nicht? Sex, Crime & Promis – Journalistenherz, was willst du mehr? Zwei Sommer hindurch konnten Redakteure mit Kachelmann das Ereignisloch der Saure-Gurken-Zeit stopfen. Euro-Krise, Bankenkrise, alles langweilig – was macht der Kachelmann denn heute?

Von taz bis FAZ, von Boulevard bis „Qualitätspresse“ berichteten sämtliche Medien jedes noch so winzige Detail. Bild schickte ausgerechnet Alice Schwarzer als Gerichtsreporterin los. Für sie stand das Urteil wohl schon vor dem ersten Verhandlungstag fest. Schließlich ist Kachelmann eben ein Mann und damit per se ein potentieller Frauenschänder ... Unschuldsvermutung? Für die engagierte Schwarzer gar ein Anwärter auf das „Unwort des Jahres“!

Doch das Erstaunliche: Kachelmann brach unter der Flut von Vor- und nachträglichen Verurteilungen nicht zusammen, sondern wehrte sich robust! Mit Erfolg: Alice Schwarzer unterlag im Streit um eine einstweilige Verfügung gegen ihre Aussagen vor dem Kölner Landgericht. Unter anderem hatte sie in einem Radiointerview Zitate des Richters im Kachelmann-Prozeß erfunden.

Nun gehen der Wetterexperte und seine Frau Miriam in die Offensive. Kürzlich erschien im Heyne-Verlag ihr gemeinsam verfaßtes Buch „Recht und Gerechtigkeit. Ein Märchen aus der Provinz“. Das Paar schildert darin aus unterschiedlichen Perspektiven die Schlammschlacht in der Zeit zwischen Festnahme und Urteilsverkündung. Verleger Ulrich Genzler sagt: „Ein wichtiges Buch, das eine längst fällige Diskussion über Recht, Gerechtigkeit und die Macht der öffentlichen Meinung anstößt.“

Im Anhang des Buches hat Kachelmanns Anwalt Ralf Höcker Dutzende einstweilige Verfügungen aufgelistet, die seine Kanzlei gegen Medienberichte erwirkt hat, zum Beispiel gegen Bunte, Focus, Emma, Bild, Süddeutsche und sogar Twitter. So hatte die Süddeutsche über den angeblichen Fund von Kachelmanns DNS an einem Messer berichtet, den es nie gegeben hatte. Bild hatte frei erfunden, Kachelmann habe in der JVA „getobt und geschrien“. Die Bunte druckte wahrheitswidrige Schilderungen einer angeblichen Zeugin vom Sex mit Kachelmann ab. Der Focus verbreitete die Falschbehauptung, Kachelmann habe sechs Frauen gleichzeitig die Ehe versprochen. Sie alle unterlagen vor Gericht, viele Medien mehrmals! Gegen den Focus verhängte das Landgericht Köln wegen zweier Verstöße gegen Verfügungen Ordnungsgelder von insgesamt 6.000 Euro.

Dabei ist die Liste nicht einmal vollständig. Höcker schreibt, sie enthalte nur einen Bruchteil von „Hunderten Abmahnungen und Unterlassungserklärungen“. Die Liste zeigt, daß es sich lohnt, im Fall einer massiven Schmutzkampagne nicht den Kopf einzuziehen. Fast alle Medien erkannten die Verfügungen als endgültige Regelung an oder kassierten vom Landgericht das Verbot ihrer Beiträge.

Kuriosität am Rande: Nun klagt das angebliche Opfer Claudia D. gegen die Nennung ihres Namens in dem Buch, obwohl sie nach dem Prozeß der Bunten ein Interview gab und sich dabei fotografieren ließ.

Foto: Das Barometer steigt: Der Schweizer Meteorologe und Wettermoderator Jörg Kachelmann und seine Frau Miriam bei der Präsentation ihres Buches

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen