© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  44/12 26. Oktober 2012

Erwin Rommel wird Fernsehstar
Der deutsche Film hat die „Grauzone“ entdeckt und zeigt einen Streifen über den populären General
Martin Lichtmesz

Angesichts des Zustandes der Bundeswehr und des Verrufs, in den die militärische Profession im allgemeinen geraten ist, erscheint es heutzutage fast unglaublich, daß „deutscher Soldat“ einmal einen ähnlichen Beiklang hatte wie „englischer Adeliger“ oder „französischer Koch“. Die Faszination mancher Gestalten aus der deutschen Militärgeschichte hat sich jedoch trotz des Bruches von 1945 bis heute gehalten – auch wenn man oft nicht so recht weiß, in welchen Karton sie zu packen sind.

So wurde „Der rote Baron“ in der Verfilmung von 2008 in einem Meer aus Zuckerguß ertränkt, weil sich die Macher nicht entscheiden konnten, ob sie einen Actionreißer oder einen Antikriegsfilm erzählen wollten. Ein relativ positives Bild hat sich auch – trotz aller Flutwellen des Zeitgeistes – der bereits zu Lebzeiten legendäre Generalfeldmarschall Erwin Rommel bewahrt. Sein vom NS-Regime erzwungener Freitod im Oktober 1944 bewahrte ihn vor der Entzauberung durch die Niederlage und reinigte ihn in den Augen der Nachwelt vom Ruch, „des Teufels General“ gewesen zu sein.

Schon 1943 machte ihn Hollywood in „Fünf Gräber bis Kairo“ zur Filmfigur, zu diesem Zeitpunkt noch als pittoresker Schurke, gespielt von dem auf teutonische Bösewichter abonnierten Exil-Österreicher Erich von Stroheim.

Mit der sich anbahnenden Wiederbewaffnung und Eingliederung Westdeutschlands in die Nato tauchten auch im US-Kino positiver gezeichnete deutsche Soldaten auf, und so wurde der Mythos Rommel durch Henry Hathaways „Der Wüstenfuchs“ (1951) mit James Mason in der Titelrolle in gefilterter Form nach Deutschland re-importiert. Der Schwerpunkt lag auf Rommels angeblicher Beteiligung am militärischen Widerstand, und so hatte auch Claus von Stauffenberg in diesem Streifen seinen ersten Filmauftritt.

Obwohl seither am Mythos des „Widerständlers“ Rommel heftig gekratzt wurde und er nicht mehr zu den hundertprozentig „Guten“ gezählt wird, hat seine Ausstrahlung im großen und ganzen nur wenig eingebüßt. Zeit also, auch ihm einen abendfüllenden Spielfilm zu widmen. Wird von ein paar sporadischen Gastauftritten des Wüstenfuchses in anderen Filmen abgesehen, so ist Niki Steins ARD-Produktion „Rommel“ tatsächlich die erste Auseinandersetzung mit dieser schillernden Figur aus deutscher Sicht.

Vielleicht war es ganz gut, daß es so lange gedauert hat: Seit das deutsche Fernsehen im letzten Jahrzehnt entdeckt hat, daß sich die spannendsten Geschichten in den Grauzonen abspielen, bemühen sich Regisseure und Drehbuchautoren immer wieder um ein komplexeres Bild des Zweiten Weltkriegs.

Das führt zu mitunter verblüffenden Ergebnissen, wie etwa in dem ebenfalls von der ARD produzierten Zweiteiler „Laconia“ (JF 44/11), der nicht nur einen deutschen U-Boot-Kapitän als Helden in Szene setzte, sondern auch noch ein recht differenziertes Portrait von Admiral Dönitz zeichnete. Auch das Rommel-Epos gehört in diese Kategorie. „Wir nähern uns diesem Mann auf eine sehr umsichtige, respektvolle Art“, erklärte Hauptdarsteller Ulrich Tukur in einem Interview mit dem SWR. Von Rommel hatte er bisher das gängige Bild „des hehren, leuchtenden, ritterlichen, fairen Soldaten“.

Das sei zwar „nicht ganz falsch“, aber es waren andere Dinge, die ihn an der Figur „berührt“ haben: „Ich empfinde immer Sympathie für Menschen in ausweglosen Situationen. Rommel befand sich in einem Zerreißzustand zwischen seinem Soldateneid, der Abhängigkeit von Hitler und der Einsicht, daß dieser Hasardeur sein Vaterland in den Untergang führte.“

Trotzdem habe Rommel anders entschieden als die Verschwörer des 20. Juli, so Tukur. Der Film wolle eine „psychologische Nahaufnahme“ dieser „tragischen Figur“ zeichnen: „Wer und wie er wirklich war, weiß keiner, aber daß dieser Mensch tief verzweifelt gewesen sein muß hinter seiner militärischen Hüllenhaftigkeit, dieser beherrschten Fassade, das steht für mich außer Zweifel.“ Rommel habe den größten Konflikt von allen Akteuren auszutragen gehabt (mit sich selbst), bekräftigt auch der Drehbuchautor und Regisseur Niki Stein.

Direkt im Anschluß an den Spielfilm zeigt die ARD eine ergänzende Dokumentation. Immerhin bietet sich durch diese Kombination eine Möglichkeit, sich genauer anzusehen, wie Geschichte zu Geschichten wird, die sich die Gegenwart immer wieder von neuem erzählen muß, um sich selbst im Spiegel der Vergangenheit zu erkennen. Nochmal Ulrich Tukur: „Die deutsche Geschichte im 20. Jahrhundert ist ein exemplarischer Blick in den Abgrund unserer Seele, deshalb werden wir nie damit fertig.“ Deren Widersprüche stehenzulassen und zu respektieren wäre doch schon mal ein guter Anfang für eine historische Katharsis, wie sie Deutschland leider immer noch nötig hat.

Rommel, Fernsehfilm mit Dokumentation. Donnerstag, 1. November, 20.15 Uhr, ARD www.swr.de/rommel/

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