© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  44/12 26. Oktober 2012

Frei von Schuldgefühlen
Deutscher Pop statt politische Korrektheit: Ausstellung Moritz Götze
Christian Dorn

Was ist die deutsche Kunst der Gegenwart? Vertrauen wir dem Deutschen Pavillon zur Venedig-Biennale 2013, wird sie von drei Ausländern und einem in Wiesbaden geborenen iranisch-französischen Filmregisseur repräsentiert. Die damit ausgestellte „Transnationalität“ dürfte beispielhaft sein für die politische Korrektheit im Kunst-Diskurs der deutschen Gegenwart. Deren Ausdruck ist eine Leerstelle – die völlige Vernachlässigung eigener Positionen, an deren Ende die Selbstaufgabe steht.

Derart wird die erhellende Frage, was an den heutigen Künsten deutsch sein könnte, peinlichst gemieden. Wie die politische Klasse dieses Landes in „Europa“ aufgeht, sucht sein offiziöser Kunstbetrieb die Apotheose im Heil der Globalisierung. Diese vermeintliche Alternativlosigkeit erinnert an die Tristesse in der späten DDR. Seinerzeit machte der junge Hallenser Künstler Moritz Götze erstmals auf sich aufmerksam – nicht zuletzt die Staatssicherheit der DDR. Die entzog dem damals 20jährigen wegen eines Ausreiseantrags den Personalausweis und ersetzte ihn durch das berüchtigte „PM 12“-Dokument, das dem Betroffenen die Bewegungsfreiheit entzog.

Damit nicht genug – um die befürchtete Ballonflucht des damaligen Punkmusikers Götze, der gar keine Flucht beabsichtigte, zu unterbinden, entfernte das MfS in den Bibliotheken des Umlandes alle Literatur, die Götze bei seinem nicht existierenden Plan hätte behilflich sein können. Stattdessen flüchtete Götze in eine subversive Kunst jenseits des Kanons.

Die Arbeiten des zunächst im Siebdruck reüssierenden Autodidakten Götze orientieren sich – besonders die Emaille-Malerei – am Comic-Genre, hier vor allem am legendären „Mosaik“ von Hannes Hegen, und an der Pop- art, die ebenfalls eine deutsche Wurzel hat. War doch der früheste Vertreter der amerikanischen Pop-art, der in Hamburg geborene Richard Lindner, künstlerisch geprägt durch die Neue Sachlichkeit.

Wenn Pop die richtige Mischung von Heiterkeit und Effizienz ist, so erscheint er genuin in der Götzeschen Bildwelt, die frei von nationalem Pathos ist – und damit frei von Schuldgefühlen und dem ideologischen Ballast des gebrochenen deutschen Geschichtsbewußtseins. Die als herausgelöstes Zitat auftauchende Geschichte erscheint – im doppelten Wortsinn „oberflächlich“ – befreit und leicht.

Eindrücklich zeigte sich dies im Schloß Neuhardenberg, wo Götze 2009 seine „Preußen-Bilder“ in der raumgreifenden Installation „Scapa Flow“ vorstellte, in der die wilhelminische Flotte noch einmal symbolisch im Schloßteich versank. Entsprechend schrieb der Publizist Andreas Kause Landt zu jener Ausstellung, man müsse sich die historische Selbstversenkung der 74 Schiffe im Sommer 1919 „als eine heitere Tat“ vorstellen.

Dieser unkonventionelle, oftmals ironische Zugriff Götzes auf die Historienmalerei als Maler, Grafiker und Installationskünstler dürfte in Deutschland einzigartig sein. So sieht Kunstkritiker Christoph Tannert „Mixmaster Götze“, der seit seiner Kindheit auch ein leidenschaftlicher Sammler ist, auf dem „Nationaltrip“, als einen „Lichtmacher“ in der Dunkelkammer der deutschen Geschichte. Dieser lustvollen Aneignung des nationalen Erbes, das er „nachmalend“ adaptiert, kommt zugleich das Verdienst zu, historisches Wissen und Personal der Vergessenheit zu entreißen – ein Projekt zur Wiederaneignung der eigenen Geschichte.

Deutlich wurde dies etwa in der Serie „Bildersaal Deutscher Geschichte“, deren Motive sich auf die Abbildungen des einst populären gleichnamigen Bildbandes von 1890 bezogen, welcher der „verspäteten Nation“ eine ikonographische Legitimation geben sollte. Dieses Werk mit den beeindruckenden Kupferstichen hatte Götze schon als Kind begeistert, als der Berufswunsch noch Museumsdirektor lautete. Ein ähnliches Initialerlebnis war die Ausstellung der Historienmalerei von Anton von Werner 1993 im Deutschen Historischen Museum, mit der er sich in seiner Schau „Männer und Taten“ (2007) auseinandersetzte.

Vor allem aber entwickelte sich Götze in den letzten Jahren zum „Preußischen Staatsmaler“, wie ein Original-Autograph von Friedrich II. belegt, auf das Moritz Götze – dessen einstige Punkband den Namen Größenwahn trug – eigenhändig eine entsprechende Bestätigung tippte. Heute finden sich etliche Original-Autographe in seinen preußischen Triptychon-Schreinen wieder, neben Friedrich II. beispielsweise auch von dessen Vater Friedrich Wilhelm I. oder Friedrich Wilhelm IV. Für Motive aus dieser Werkreihe werden inzwischen fünfstellige Preise aufgerufen.

Die Ausstellung „Deutsche Malerei“ ist bis zum 3. November in der Berliner Galerie Tammen & Partner, Hedemannstr. 14, dienstags bis samstags von 12 bis 18 Uhr zu sehen. Telefon: 030 / 2 25 02 79 10

www.galerie-tammen-partner.de

Foto: Moritz Götze, Friedrich II. unterwegs mit Freunden, Emaille-Malerei, 2012: Während Ende November in der Berliner Villa Grisebach das Werk „Friedrich der Große“ des US-amerikanischen Pop-art-Künstlers Andy Warhol versteigert wird, stellt der aus Halle an der Saale stammende „Preußische Staatsmaler“ Moritz Götze sein Werk in Übersee im Rourke Art Museum (Minnesota) vor, wo zahlreiche Klassiker der Pop-art beheimatet sind.

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