© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  44/12 26. Oktober 2012

Reisen bleibt ein Traum
Kuba: Die neuen Reiseregelungen für Kubaner haben nur wenig mit Freiheit zu tun
Alessandra Garcia

Die Mehrheit der Kubaner kann nun nach mehr als fünfzig Jahren sozialistischem Staatsgefängnis ihre Reiseziele selbstbestimmt wählen“, sagte der Kuba-Experte und FDP-Politiker Hans-Werner Ehrenberg in Jubelstimmung. Und tatsächlich: Reiseziele wählen können die elf Millionen Insulaner, nur reisen können sie weiterhin nicht. In der kommunistischen Parteizeitung Granma ist von einer Reiserechtsreform und Reiseerleichterungen die Rede, die ab dem 14. Januar 2013 in Kraft treten sollen.

Wer bisher ins Ausland reisen konnte, kann das künftig preiswerter und mit weniger organisatorischem Aufwand. Wem bisher die Ausreise aus politischen oder ökonomischen Gründen verweigert wurde, wird auch künftig nicht reisen dürfen.

Bisher hat fast jeder Kubaner, der die dafür notwendigen umgerechnet rund 55 US-Dollar aufbringen konnte, einen Reisepaß erhalten. Die Reisen scheiterten allerdings am verweigerten Einreisevisum des Ziellandes oder – insbesondere bei hochspezialisierten Spezialisten und Regimekritikern – an der Verweigerung der Ausreiseerlaubnis. Diese muß beispielsweise bei Ärzten und Wissenschaftlern durch das zuständige Ministerium erteilt werden.

An dieser Praxis ändert sich mit dem neuen Gesetz kaum etwas. Lediglich entfällt die bisher nötige Einladung aus dem Ausland. Die Ausreisebeschränkungen im Interesse des Staates werden künftig über die Gewährung oder Nichtgewährung des Reisepasses geregelt und nicht mehr über die Ausreisegenehmigung.

In „Hinblick auf die Bewahrung der qualifizierten Arbeitskraft für die wirtschaftliche, gesellschaftliche oder wissenschaftlich-technische Entwicklung des Landes“ kann der Paß versagt werden, heißt es im Gesetz.

Um sich gegen alle Unwägbarkeiten abzusichern, haben die Juristen festgelegt, daß die „zuständigen Behörden“ eine Ausreise auch „aus anderen Gründen des öffentlichen Interesses“ ablehnen können. „Wenn die kubanische Führung morgen auf die Idee kommt, das Land habe zu wenige 22jährige Hausfrauen, dann wird diesen eben aus Gründen des öffentlichen Interesse kein Reisepass ausgehändigt, ohne daß diese sich dagegen wehren können“, spottet ein Mitglied des Kubaforums im Internet.

Reisen werden künftig nur jene dürfen, an denen der sozialistische Staat kein Interesse hat, die aber über ausreichend Finanzquellen im Ausland verfügen und die vom Zielland ein Visum erhalten. Doch eine visafreie Einreise gibt es weder für Europa noch für Kanada oder die USA. Die Visabestimmungen der USA seien von der Ankündigung des kubanischen Regimes nicht betroffen, teilte US-Außenamtssprecherin Victoria Nuland. Man werde abwarten, wie die neue Regelung umgesetzt werde und wie groß die Reisefreiheit angesichts von angekündigten Einschränkungen letztlich sein werde.

Fünf durchschnittliche Monatslöhne muß ein Kubaner für die Ausstellung eines Passes aufbringen. Dazu kommen die Gebühren für das Einreisevisum und die Flugkosten. Wer am 15. Januar nach Berlin fliegen will, muß mindestens um die 500 Euro plus Ausreisesteuer bezahlen. Etwas preiswerter sind Flüge nach Italien oder Frankreich. Das Problem ist und bleibt jedoch: Solange kein visafreier Verkehr mit den USA vereinbart wird und keine finanzierbare Fährverbindung nach Florida existiert, bleibt die Reisefreiheit für die Kubaner ein Traum.

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