© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  44/12 26. Oktober 2012

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Kampf um Anerkennung
Henning Hoffgaard

Der Bundestag beschloß 1992 die Errichtung eines „Denkmals für die Opfer des nationalsozialistischen Völkermordes an den Sinti und Roma“. Zwanzig Jahre, unzählige Diskussionen und mehr als drei Millionen Euro später ist das Mahnmal im Berliner Tiergarten unweit des Reichstages fertig. Schon vor der für diese Woche geplanten Eröffnung war den Politikern die Erleichterung anzuhören. „Erinnerungskultur ist mir sehr wichtig“, sagte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in ihrer wöchentlichen Videobotschaft. „Dafür müssen wir auch geeignete Orte haben, an denen das möglich ist, zu denen auch in Zukunft Menschen gehen können, wenn schon die Zeitzeugen gar nicht mehr am Leben sind.“ Die Worte täuschen nur schwer über die Streitigkeiten zwischen den beteiligten Akteuren hinweg, die den Bau über Jahre lähmten.

Statt Gemeinsamkeiten traten zwischen den Opferverbänden in den vergangenen Jahren vor allem Streit und Abneigung zutage. 2009 kommt es auf der Damentoilette des Bundesrates am Rande einer Veranstaltung mit Überlebenden des Holocaust zu einer Messerstecherei zwischen Vertreterinnen des Zentralrats der Sinti und Roma und der Sinti-Allianz. Kein Wunder also, daß schon die Inschrift des Denkmals zum Zwist führte. „Zigeuner“ oder „Sinti und Roma“? Der Zentralrat wollte von „Zigeunern“ nichts wissen und lesen, die kleinere Sinti-Allianz dagegen hatte mit dem Begriff weniger Probleme, und die Bundesregierung konnte sich, von zwei Verbänden bedrängt, nicht so recht entscheiden. Expertenkommissionen wurden gegründet und Gutachten erstellt. Das Ergebnis: Keine Inschrift, dafür ein Begleittext, in dem zwar das Wort „Zigeuner“ auftaucht, allerdings nur als Quellenbegriff der Nationalsozialisten. Und damit sich niemand beschwert, fanden auch noch die Jenischen, eine kleine Volksgruppe aus Mittel- und Osteuropa, ihren Weg auf die Gedenktafel. Auch sie seien als „Zigeuner“ verfolgt worden, heißt es.

Daneben kämpften die für die Bauaufsicht zuständigen Behörden auch noch mit den Eigenheiten des Künstlers Dani Karavan, der die Gedenkstätte, ein rundes Wasserbecken mit schwarzem Grund und einer in der Mitte plazierten Rose, entworfen hatte. Der zeigte sich über unangekündigte Baustellenbesichtigungen und Bauvorschriften sichtlich erbost.

Wenigstens in einem waren sich alle Beteiligten von Anfang an einig: Ein eigenes Denkmal soll es sein. In Sichtweite zum Reichstag. „Wir lassen unsere Opfer nicht respektlos behandeln und herumschubsen“, sagte der Vorsitzende des Zentralrates der Sinti und Roma, Romani Rose. Ein gemeinsames Gedenken an alle Opfer war mit dem Bau des Holocaust-Mahnmals für die ermordeten Juden vom Tisch. Auch für die etwa 10.000 in den Konzentrationslagern ermordeten Schwulen gibt es im Tiergarten seit 2008 ein Denkmal. Einwände, etwa vom früheren Berliner Bürgermeister, Eberhard Diepgen, es gebe in der Innenstadt keinen Platz mehr für weitere Gedenkstätten, wurden so schnell zur Makulatur.

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