© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/12 19. Oktober 2012

Aufgeschnappt
Übergriffe nach Kriegsende
Matthias Bäkermann

Es ist der frühe Abend des 14. August 1945, gerade hat US-Präsident Truman verkündet, daß Japan als letzter Kriegsgegner bedingungslos kapituliert hat – der Krieg ist vorbei! Der Marinesoldat George Mendonça, gedient auf dem Zerstörer „The Sullivans“ im Pazifikkrieg, strömt mit vielen Kameraden auf den New Yorker Times Square, wo bereits eine Jubelparade im Gange ist. Immer wieder küßt er freudetrunken irgendwelche Frauen am Straßenrand, „gleich welchen Alters“, wie Fotograf Alfred Eisenstaedt sich später erinnert. Als Mendonça an der jungen Krankenschwester Edith Shain vorbeikommt, knipst Eisenstaedt das Foto seines Lebens. Der Kuß mit der leidenschaftlichen Umarmung wird als „The Kissing Sailor“ weltberühmt.

Geht es nach US-Feministin Lori Adelman, muß diese Szene – gern am Ort des Geschehens von verliebten Paaren nachgestellt – als abschreckendes Beispiel sexueller Belästigung gedeutet werden. Im vielbeachteten Blog „feministing.com“ macht sie das auch am „süffisanten Grinsen“ der anderen Matrosen auf dem Foto fest. „Die Tatsache, daß dieses allseits geliebte Foto nicht Leidenschaft, sondern einen sexuellen Übergriff darstellt, ist eine unbequeme Wahrheit.“ Daß sich Shain dem Kuß nicht verweigerte, weil „dieser Matrose schließlich auch für sie kämpfte“, wie sie danach bekannte, dürfte Adelmans Furor wohl auch nicht zähmen können.

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