© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/12 19. Oktober 2012

Haltungsnote
Ein Kriterium unter anderen
Christian Rudolf

Abigail Fisher klagt nicht für sich selbst vor dem höchsten US-Gericht. Mit dem Studium an der Universität von Louisiana ist die Amerikanerin erfolgreich durch, die erst 22jährige arbeitet in Austin als Analytikerin. Die aufgrund ihrer Blässe zart wirkende junge Frau ist dennoch gegen die große University of Texas vor den Supreme Court gezogen. Weil es ums Prinzip geht. Sie fühlt sich diskrimiert: weil sie weiß ist. Die „Affirmative Action“, die „positive Diskriminierung“, könnte ihrer Klage wegen vor Gericht kippen.

Wie gerne hätte sie an der Uni in Austin studiert, als sie vor vier Jahren ihre Papiere dort einreichte. Doch sie wurde nicht angenommen. Da sie, wie sie glaubt, die falsche – horribile dictu! – ethnische Abstammung hat. Da sie nicht unter den „Top 10“ ihres Colleges war, die automatisch einen Platz sicher haben, durchlief sie die Aufnahmeprüfung. Und bei der kommt seit 2003 ein Zulassungsverfahren zum Tragen, bei dem die „Rasse“ des Kandidaten – so steht es wörtlich im Antrag – ein Kriterium ist. Und das Schwarze und Latinos bevorzugt, die wegen schlechterer Leistungen ohne die Quote kaum Chancen auf einen Studienplatz hätten.

Nun versteht Fisher die Welt nicht mehr – und kämpft. „Schon als kleines Mädchen wurde mir beigebracht, daß jede Form der Diskriminierung falsch ist“, sagt sie. Und den 14. Zusatzartikel zur Verfassung der Vereinigten Staaten hielt sie für eine Errungenschaft, schließlich garantiert er jedem den gleichen Schutz durch das Gesetz – unabhängig von Herkunft und Geschlecht. Vor neun Jahren bestätigte der Supreme Court mit knapper Mehrheit, daß bei der Auswahl von Studenten deren Rasse ein Kriterium unter vielen sein darf. Da sich die Zusammensetzung der Richterschaft inzwischen zugunsten der Konservativen verändert hat, gilt die Entscheidung als völlig offen.

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