© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/12 19. Oktober 2012

Umwelt
Diabetes in der Dose
Michael Howanietz

Deutschland liegt mit einer Zuckerkranken-Rate von neun Prozent im europäischen Spitzenfeld. In Weichmachern (Phthalaten) wurde ein weiterer Auslösefaktor erkannt. Eine aktuelle Studie, die über 230 Untersuchungen zusammenfaßt, legt die Einflußnahme der in Kunststoffen, Konservendosen, Verpackungsmaterialien, Elektrogeräten und Kosmetika enthaltenen Chemikalien auf den Insulinhaushalt und damit die Begünstigung von Diabetes 2 offen. Nicht die Einzeldosis (mitunter bis zur Hälfte der Produktmasse), vielmehr die Summe der Expositionen führe zu Problemen. Da es dem Verbraucher aber unmöglich ist, die Phthalatkonzentration in den Produkten zu erkennen und somit seinen persönlichen Gefährdungsstatus zu erheben, bleibt nur ein vorsorglicher Umgang mit mutmaßlich belasteten Waren.

Die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) fordert unschädlichen Ersatz für die in Medizinprodukten verwendeten Weichmacher, die als nach innen abgebende Disruptoren das menschliche Hormonsystem irritieren und etwa männliche Sexualhormone hemmen. Die Kennzeichnungspflicht innerhalb der EU ist lückenhaft, die Verwendung der Gefahrenstoffe lediglich in Kinderspielzeug verboten. In Baby-Schnullern ist etwa Bisphenol A (BPA) erst seit 2011 verboten, dennoch wird die Substanz immer wieder in Säuglingsutensilien nachgewiesen. Brüssel verweigert aber die Publikation der überführten Hersteller. Und mit Triclosan, dem Wirkstoff in zahlreichen antibakteriologischen Produkten bis hin zu Zahnpasta, der hautfloraschädlich, krebsauslösend und resistenzbegünstigend ist, steht in Skandinavien bereits der nächste Kandidat auf der Liste chemischer Bedrohungen. Die Politik in Berlin und Brüssel ist gefordert, die chemischen Menschenversuche dringend strengeren Kontrollen zu unterwerfen.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen