© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/12 19. Oktober 2012

Verbündet, verfeindet, verschwägert
Nachbarn: Die bayerisch-österreichische Landesausstellung 2012 präsentiert an drei Orten die ereignisreichen Beziehungen beider Länder
Felix Dirsch

Wer heute die ausgedehnten bayerisch-österreichischen Grenzbezirke beobachtet, erlebt einen regen Verkehr diesseits und jenseits der Grenze. Das EU-Projekt „Europa der Regionen“ stärkt die ohnehin engen Verbindungen. Überblickt man die lang andauernde Geschichte beider Länder, so überraschen die intensiven geistigen, kulturellen, persönlichen, politischen und sonstigen Beziehungen nicht.

Es ist daher ein weites Feld, das die bayerisch-österreichische Landesausstellung 2012 an drei Orten (Burghausen, Braunau-Ranshofen, Mattighofen) absteckt. Der dokumentierte Zeitraum reicht größtenteils vom 8. Jahrhundert bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts. In Burghausen wird das teilweise stürmische Wechselverhältnis von Bayern und Österreich im Mittelalter dargestellt, an den beiden oberösterreichischen Orten die neuzeitliche Fortführung.

„Als Österreich noch bei Bayern war“, der Untertitel der Burghauser Ausstellung, mag sich für heutige Ohren provokant anhören, bis zum Jahre 1156 trifft er aber für Ober- und Niederösterreich tatsächlich zu. In diesem Jahr wird Heinrich der Löwe mit Bayern belehnt, indes ohne die alte Markgrafschaft im Osten des Landes. Sie wird eigenes Herzogtum. Der Babenberger Heinrich II, genannt Jasomirgott, wird zum Herzog von Österreich ernannt. Ein wichtiges Datum in der Geschichte des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation ist der Sieg des Wittelsbachers König Ludwig IV., genannt „der Bayer“, über den Habsburger Friedrich den Schönen 1322 bei Mühldorf. Beide Kontrahenten versöhnen sich bald und schlafen als Zeichen ihrer neuen Innigkeit im gleichen Bett. Die neue Gemeinsamkeit stärkt die antipäpstliche Front enorm. Zeichen des neuen Selbstbewußtseins der Kurfürsten ist die Goldene Bulle von 1356, in der festgeschrieben wird: Sie allein sind nunmehr für die Wahl des römischen Königs verantwortlich!

Daß die zahlreichen Exponate, die in Burghausen betrachtet werden können, schwerpunktmäßig aus der Welt des Adels und der Kirchen stammen, kann kaum verwundern. Einen besonderen Rang nimmt der in einer Replik vertretene berühmte Tassilokelch ein, den der bayerische Herzog Tassilo III. für seine Gründung, das Kloster Kremsmünster, herstellen läßt sowie die Tassiloleuchter, die aus den Zeptern des Herrschers angefertigt worden sein sollen.

Ebenso ist der Cundpaldkelch zu erwähnen, der wahrscheinlich im späten 8. Jahrhundert gefertigt wird und dem Tassilokelch ähnlich ist. Anzumerken ist für diesen Teil der Ausstellung, daß am Anfang einige Beschreibungstafeln ungünstig aufgestellt sind. Die wichtigsten Klöster, etwa Melk an der Donau, sind mit eigenen Ausstellungseinheiten vertreten. Positiv ist hervorzuheben, daß diese Zentren des kulturellen Lebens durch großformatige Aufnahmen adäquat dargestellt werden.

Der neuzeitliche Part dürfte für den durchschnittlich geschichtlich Gebildeten mehr Anknüpfungspunkte bieten als das Mittelalter. In Braunau werden auch etliche interaktive Elemente geboten, beispielsweise ein Bogen, mit dem sich die Besucher mit den Schützen von damals messen können. Zu den grundlegenden Geschehnissen der bayerisch-österreichischen Historie in diesem Zeitabschnitt gehört die Abtretung des Innviertels an die habsburgischen Erblande in den 1770er Jahren. Darüber hinaus reichende Tauschpläne, wie sie Kurfürst Karl Theodor intendiert, scheitern an unterschiedlichen Interessen in München und Wien.

Neben dem für manche opulenten Leben im Barock werden auch die Mühen der breiten Masse im Alltag geschildert. Zu diesen zählen vor allem die zahllosen Kriege, von denen einige Erbfolgestreitigkeiten herausragen, bei denen Österreich und Bayern auf verschiedenen Seiten kämpfen. Ein Lob gebührt den Ausstellungsleitern für das große Angebot an Führungen, die das mediale Vermittlungsangebot ergänzen.

Daß die Landesausstellung ein voller Erfolg ist – wie sich bereits vor ihrem Ende am 4. November abzeichnet – dürfte verschiedenen Faktoren geschuldet sein, nicht zuletzt dem hochkarätigen Beratergremium, dem unter anderem die Historiker Stefan Weinfurter und Karl Brunner angehören, aber auch dem landschaftlichen Umfeld von Inn und Salzach. Die Burg in Burghausen sowie die Schlösser von Ranshofen und Mattighofen sind auch ohne ein solches kulturelles Ereignis einen Besuch wert. Ein zweibändiger Katalog mit einem ausgezeichneten Bildteil und lesenswerten Essays von Kennern der Thematik wie dem Inhaber des Münchner Lehrstuhls für bayerische Landesgeschichte, Ferdinand Kramer, runden den Blick auf ein langes Mit- und Gegeneinander zweier Regionen ab, die seit je zum Herzen Europas zählen – eine Besonderheit ihrer Lage, die seit den Umbrüchen von 1989/90 von neuem an Bedeutung gewinnt.

Die grenzüberschreitende Landesausstellung 2012 „Verbündet – Verfeindet – Verschwägert. Bayern und Österreich“ wird bis zum 4. November an drei Orten gezeigt: in der Burg zu Burghausen an der Salzach, im ehemaligen Augustiner-Chorherrenstift Ranshofen sowie im Schloß Mattighofen.

www.landesausstellung.com

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