© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/12 19. Oktober 2012

Deutsche Erbschaftsteuer erneut vor Reform der Reform
Komplizierter Murks
Michael Paulwitz

Das Erbschaftsteuerrecht ist Murks. Kaum reformiert, landet das Gesetz schon wieder vor dem Verfassungsgericht: Der Bundesfinanzhof hält die Ausnahmeregeln bei der Besteuerung vererbter Betriebsvermögen für verfassungswidrig und verlangt die Überprüfung in Karlsruhe. Mit auf dem Prüfstand steht die Frage nach dem Sinn einer Steuer, denn sie ist im Kern ein fauler Kompromiß zwischen dem Recht am Privateigentum und der Sehnsucht, die Akkumulation großer Privatvermögen zu verhindern.

Ihr Dilemma ist das aller Substanzsteuern: Soll sie nennenswerte Geldströme in die Staatskassen spülen, muß sie so tief in die Privatvermögen eingreifen, daß sie unternehmerische Initiative abzuwürgen droht. Will man das vermeiden, müssen so viele Ausnahmen gemacht werden, daß sie kaum noch etwas einbringt.

In diese Falle ist die Regierung mit der letzten Novelle des Erbschaftsteuergesetzes getappt. Vom Bundesverfassungsgericht 2006 gezwungen, die ungleiche Bewertung von Grund- und Immobilienbesitz gegenüber Kapital- und Barvermögen zu beseitigen, schuf der Gesetzgeber umfangreiche Ausnahmen für Betriebsvermögen – mit dem Motiv, mittelständische sowie land- und forstwirtschaftliche Betriebe vor einer existenzgefährdenden Besteuerung von im Unternehmen gebundenen Mitteln beim Übergang auf einen Nachfolger zu bewahren. In der Theorie richtig gedacht – in der Praxis ein „Scheunentor zur Steuerflucht“ (FAZ), wenn potentielle Erblasser Privatvermögen großzügig in Betriebsmittel umdeklarieren. Die Bedingung, im Gegenzug für die weitreichende Steuerbefreiung bei der Vererbung von Firmen Arbeitsplätze langfristig zu erhalten, trifft auf die meisten Betriebe gar nicht zu, weil sie weniger als zwanzig Mitarbeiter haben.

Was nun also? Weiter an den Details herumdoktern, spezielle Steuerschlupflöcher schließen, etwa durch ein Verbot reiner Steuerspar-„Cash-GmbHs“? Firmenerben in Härtefällen das Abstottern der Finanzamtsrechnung erleichtern, statt sie pauschal zu privilegieren? Was immer Karlsruhe dem Gesetzgeber auferlegt, wahrscheinlich ist, daß die Steuer-Garrotte um den Hals des Mittelstandes künftig noch enger zugezogen wird.

Angesichts des im Vergleich zum Verwaltungsaufwand bescheidenen Aufkommens von gut vier Milliarden Euro jährlich böte sich an, die Erbschaftsteuer einfach abzuschaffen. Oder, wie in den meisten EU-Ländern üblich, Ehefrauen und Kinder und damit auch das Gros der Firmenerben ganz von der Erbschaftsteuer zu befreien – oder alle Ausnahmen zu beseitigen und dafür die Tarife – Deutschland liegt mit einem Höchstsatz von 30 bis 50 Prozent europaweit an der Spitze – auf ein für alle erträgliches Maß abzusenken. Warum nicht bei der Erbschaftsteuer damit beginnen, das Steuersystem zu vereinfachen und die Lasten zu verringern?

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