© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/12 19. Oktober 2012

Flämisches Signal in Richtung Brüssel
Flandern: Konservative Neu-Flämische Allianz siegt bei den Gemeinderatswahlen / Rechter Vlaams Belang verliert erheblich an Boden
Mina Buts

Wir fürchten, daß wir aus Gründen der politischen Korrektheit auch diesmal von einer Koalition ausgeschlossen werden“, so Filip Dewinter, der Antwerpener Spitzenkandidat des nationalen Vlaams Belang, im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT. Bei den belgischen Gemeinderatswahlen am Wochenende hat seine Partei dramatische Verluste erlitten. In Antwerpen, traditionell einer Hochburg, verlor sie 15 von 20 Mandaten. Mit 10,6 Prozent der Stimmen ist sie dennoch die drittstärkste politische Kraft in der Scheldestadt.

Überwältigender Wahlsieger war dort Bart De Wever von der rechtskonservativen N-VA (Neu-Flämische Allianz). Bis zum Schluß war ihm ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem amtierenden sozialistischen Bürgermeister Patrick Janssens prognostiziert worden. Daß Janssens dann aber doch mit 27,6 Prozent der Wählerstimmen weit abgeschlagen hinter De Wever (37,6 Prozent) landete, führte zu einem tränenreichen Auftritt vor laufenden Fernsehkameras. Zum ersten Mal seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs wird Antwerpen keinen sozialistischen Bürgermeister mehr haben.

Wahlsieger De Wever jedoch benötigt einen Koalitionspartner. Rein rechnerisch könnten dies die Sozialisten oder der Vlaams Belang (VB) sein. Während die erstgenannten eigentlich wegen der politischen Unterschiede nicht in Frage kommen dürften und sich daher – trotz noch größerer inhaltlicher Differenzen – die Grünen schon andienen, scheiden die zweiten vermutlich wegen des seit Jahrzehnten um sie gelegten politischen und medialen „Cordon sanitaire“ (JF 35/12) aus.

Der N-VA-Chef brüstet sich damit, die „extremen Rechten“ in Antwerpen zurückgedrängt zu haben, verdrängt aber die Tatsache, daß seine eigene Partei vom politischen Gegner ebenfalls als „rechtsextrem“ tituliert wird. In Gemeinden wie Beersel und Halle wurde die N-VA gleich nach den Wahlen ebenfalls mit einem „Cordon sanitaire“ umgeben.

Der Vlaams Belang hat die schwerste Niederlage seit Jahrzehnten erlitten. Vor allem in Antwerpen ist die Partei auch Opfer der seit Monaten herrschenden Polarisierungskampagne zwischen De Wever und Janssens geworden: „Wo zwei Elefanten kämpfen, wird Gras zertrampelt“, so Dewinter.

Nach den parteiinternen Querelen um karrierfördernde Austritte prominenter Parlamentsabgeordneter in Richtung N-VA und dem Medienrummel, mit dem die Neu-Flämische Allianz bedacht wurde, überraschte die Niederlage allenfalls in ihrer Höhe. Die Partei muß sich neu aufstellen. Die für das Frühjahr 2013 vorgesehene Neuwahl des Parteivorstands ist bereits auf das Jahresende vorgezogen worden, der bisherige Vorsitzende Bruno Valkeniers wird dann sein Amt niederlegen. Als seine möglichen Nachfolger werden Filip Dewinter und Bart Laeremans gehandelt.

Die als harmlose Variante geltende N-VA ist auch diesmal eindeutiger Wahlsieger in Flandern, wo sie etwa jede dritte Wählerstimme erhielt. Die drei an der belgischen Regierung beteiligten Parteien hingegen schrumpfen weiter: die Christdemokraten moderat, die Sozialisten und Liberalen weit stärker.

Obwohl es sich lediglich um Kommunalwahlen handelte, dürfte das Ergebnis gravierende Auswirkungen auf die belgische Politik haben. Darin sind sich alle Medien des Landes einig.

Das Magazin Knack sieht „ein großes Problem“ für den sozialistischen belgischen Premier Elio Di Rupo, seine Legitimität sei in Flandern „unter Null“ gesackt. Die N-VA war 2011 – obwohl schon damals stärkste Partei in Flandern – bei der belgischen Regierungsbildung übergangen worden, De Wever gilt als vehementer Vertreter einer noch weiteren Föderalisierung des Landes bis hin zur Teilung.

Das jetzige Wahlergebnis, so titeln die flämischen Zeitungen, sei ein „ohrenbetäubendes N-VA-Signal für Di Rupo“, oder auch ein „unmißverständliches nationales Signal“. Selbst in Wallonien beschäftigen sich die Zeitungen mit dem Wahlausgang: Es müsse „schleunigst eine Antwort darauf geben, wie das Land weiter organisiert werden soll“, die Zeit für „politische Spielchen“ sei abgelaufen.

De Wever, der in acht Monaten 60 Kilogramm abgespeckt hat, hat in der Ansprache nach seinem Antwerpener Wahlsieg denn auch als allererstes in Richtung Di Rupo ausgeholt: „Übernehmen Sie Ihre Verantwortung und bereiten Sie gemeinsam mit uns eine föderale Reform vor. Geben Sie den Flamen die Regierung, auf die sie ein Recht haben.“ Erst danach dankte er den Antwerpenern für ihr aussagekräftiges Wählervotum.

Foto: Wahlsieger Bart De Wever (N-VA) wird von seinen Parteifreunden gefeiert: „Geben Sie den Flamen die Regierung, auf die sie ein Recht haben“

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