© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/12 19. Oktober 2012

Bloß nicht festlegen
CDU: Auf den Regionalkonferenzen gelingt es Angela Merkel, unverbindlich Wünsche und Sehnsüchte des Parteivolkes zu bedienen
Hinrich Rohbohm

Sie sind zu einem festen Ritual geworden: die CDU-Regionalkonferenzen. In allen Regionen Deutschlands stellt sich Angela Merkel derzeit wieder den Fragen ihres Parteivolks. So auch am Montagabend in Potsdam. Geduldig lassen sich die knapp 300 Zuhörer von Generalsekretär Hermann Gröhe berieseln. Die Partei hat kleine Broschüren auf jeden Platz gelegt. In ihnen sind Argumente aufgelistet, die die Mitglieder davon überzeugen sollen, daß Schwarz-Gelb ein Erfolgsprojekt sei. Gegenüber 2009 habe man 7,6 Prozent mehr Wirtschaftskraft, 37 Prozent mehr Exporte, 2,4 Prozent mehr Nettoeinkommen, 387 Euro mehr für Familien und Kinder. Dazu sei man auf dem Weg zu null Euro neuer Schulden. Überhaupt würden 70 Prozent der Bürger hinter Angela Merkels Euro-Kurs stehen. Gröhe wiederholt die Argumente gebetsmühlenartig. Artiger Beifall der Zuhörer.

Dann redet die Kanzlerin, wirbt für ihren Euro-Kurs. Ruhig, aber eindringlich. So, als wäre sie sich bei den 70 Prozent nicht so sicher. Der EZB sei es besser gelungen als der Bundesbank, die Inflation zu bändigen. Die Vergangenheit werde da von einigen verklärt. An den Schulden seien die Konjunkturprogramme Schuld, die europaweit nach der Wirtschaftskrise 2009 aufgelegt wurden. „Wir müssen etwas unternehmen, damit Unternehmen etwas unternehmen“, sagt Merkel. Das kommt an. Sie sei für das Betreuungsgeld. Leute, die lange gearbeitet haben, sollen mehr Rente bekommen als diejenigen, die nicht gearbeitet und eingezahlt haben. Balsam für die oft geschundenen Seelen der Parteibasis. Mit „Dagegensein“ gewinne man die Zukunft nicht. Wieder Beifall.

Vor allem in den Fragerunden gelingt es der Kanzlerin, mit Schlagfertigkeit und Humor die Mitglieder für sich einzunehmen. „Die ist schon klasse“, flüstern sich auch in der Düsseldorfer Mitsubishi-Electric-Halle zahlreiche Unionsmitglieder zu. Ordentliche Schulen seien „schon wichtig“. Beifall. Rente und Altersarmut? „Ja, das ist ein Riesenthema, da müssen wir was tun.“ Noch stärkerer Beifall vom überwiegend älteren Publikum. „Die Merkel, hat’s ja gerade gesagt. Sie tut was für unsere Rente“, wispert eine Frau mit silbergrauen Haaren ihrem Mann zu. Zufriedene Gesichter. Erleichterung. Auch, weil sich Merkel immer wieder zur Freiheit, zur Demokratie und „zu 100 Prozent zur Sozialen Marktwirtschaft“ bekennt. „Da hörst du’s. Gerade hat sie es selbst gesagt“, meint ein weiterer Rentner zu seinem Parteifreund, als Merkel in Potsdam befragt wird, zu wieviel Prozent sie eigentlich die Leistungsgesellschaft befürworte und zu wieviel den Marxismus. Eine dankbare Frage für Merkel, um vom Linkskurs der Kanzlerin abzulenken.

Der Kanzlerin gelingt es auf den Regionalkonferenzen, Wünsche und Sehnsüchte ihres Parteivolks zu bedienen, ohne sich konkret festlegen zu müssen. „Das müssen wir uns mal angucken“, ist ein Satz, der sehr oft fällt. Die Altersarmut? „Ja, wir werden bei der Rente was tun. Aber ob wir das mit unserem Koalitionspartner durchsetzen können, weiß ich nicht“. Nicht wenige Fragen sind mit Sätzen des Lobes für die Kanzlerin verbunden. Besonders bei den Funktionären. Der designierte brandenburgische CDU-Vorsitzende Michael Schierack tritt in Potsdam ans Mikrophon, um der Kanzlerin mitzuteilen, daß die CDU Brandenburg die Arbeit der Bundesregierung „honoriere“. Und das CDA-Bundesvorstandsmitglied Joachim Specht sah sich verpflichtet kundzutun, daß Angela Merkel „uns guttut“ ehe er seine Kritik an einer möglichen Neuauflage einer schwarz-gelben Koalition erklärt.

Genau die aber will Merkel fortführen, versichert sie in Düsseldorf auf Nachfrage von Michael Nickel vom Aktionsbündnis „Linkstrend stoppen“. Der Brandenburger reist zu jeder Regionalkonferenz, nervt die Kanzlerin auf jeder Veranstaltung mit Fragen. „Wir hatten ja schon schöne Momente miteinander“, beginnt Nickel in Potsdam. Und hat Lacher und Beifall auf seiner Seite. Auch Merkel lacht, diesmal vielleicht ein wenig gequälter. Es sind die leiseren Sätze der Kanzlerin, die ein anderes Bild von ihrer Politik zeigen. „Wir wollen ja, daß demnächst alle EU-Länder den Euro haben“, gehört dazu. Er lößt in Potsdam betretenes Schweigen aus. Doch nur wenige machen ihrem Unmut Luft. „Der Schlußsatz lautet bei Ihnen immer: Wir sind auf einem guten Weg’. Aber das reicht nicht. Wir Bürger haben kein großes Vertrauen in Herrn Draghi und Herrn Schäuble“, meint ein Kritiker. Ein Teilnehmer äußert seinen Unmut darüber, daß die Ehe „schleichend gemindert“ werde. Ein anderer gibt der Kanzlerin zu bedenken: „Wer das Ziel nicht kennt, wird den Weg nicht finden.“

„Das ist alles ein abgekartetes Spiel“, meint allerdings ein CDU-Mitglied, das erfahren haben will, daß ein Teil der Fragen mit der Parteiführung bereits im Vorfeld abgestimmt worden sein soll. Daß in Düsseldorf ein hoher Anteil an Fragestellern aus dem Wahlkreis des CDU-Generalsekretärs Hermann Gröhe kam verleitete jedenfalls auch den NRW-Landesvorsitzenden Armin Laschet zu der scherzhaften Bemerkung: „Ich glaube, Hermann hat da einen Bus bestellt.“

Foto: CDU-Chefin Angela Merkel auf der Regionalkonferenz in Potsdam: „Das ist alles ein abgekartertes Spiel“

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