© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  43/12 19. Oktober 2012

Berlin-Alexanderplatz
Grenzen der Ehrlichkeit
Christian Rudolf

Es passierte nicht in einem sozialen Brennpunkt, sondern mitten in Berlin: Auf offener Straße ist ein junger Mann in einem unfaßbaren Gewaltexzeß totgetreten worden. Von einer Gruppe, die Zeugen als türkische oder arabische Jugendliche beschrieben. Nach allem, was wir bisher wissen, war die feige Tat unprovoziert.

Der 20jährige war noch keine 24 Stunden tot, da wird über seiner Leiche schon Politik gemacht. In der Hauptstadt entspann sich eine dieser Beschwichtigungsdebatten, nach deren Ende alles so bleiben wird, wie es war. Der für die Sicherheit der Bürger verantwortliche Innensenator Frank Henkel (CDU) plädiert umgehend für eine „ehrliche Diskussion über Werte und Grenzen“. Wo die Ehrlichkeit ihre Grenze hat, schob er gleich nach: Aussehen, Hintergrund oder religiöse Zugehörigkeit spielten für ihn bei der Tat keine Rolle. Jetzt gelte es vielmehr, die Polizei zu stärken und Präsenz zu zeigen.

Doch auch hier Unehrlichkeit: Es gibt die personellen und finanziellen Grundlagen dafür gar nicht. In den letzten zehn Jahren wurden in Berlin viertausend Polizeistellen abgebaut. Zudem ist der Doppelhaushalt für das laufende und das kommende Jahr lang beschlossene Sache. Henkel kann sich als Juniorpartner der Wowereit-Wohlfühl-SPD sowieso nicht durchsetzen. Also: Heiße Luft. Nebenbei: Die Bundeshauptstadt hat seit fast anderthalb Jahren keinen Polizeipräsidenten.

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