© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/12 12. Oktober 2012

Frisch gepresst

Deutsche Einheit. Wer hat den Fall der Mauer und die Wiedervereinigung ermöglicht? Die Bürgerbewegten wollten lediglich eine „bessere DDR“. Die ökonomische Misere des Realsozialismus und die Ausreisebewegung spielten eine wichtige Rolle, letztlich hauptentscheidend war aber die Revolution von oben – Glasnost und Perestroika in Moskau. Doch die Reformer unter KPdSU-Chef Michail Gorbatschow haben diese Entwickung keineswegs gewollt, analysiert der deutsche Diplomat Joachim von Arnim in seinem Buch über die entscheidende Zeit zwischen 1982 und 1991. In Anspielung auf Walter Schellenbergs Kontakte zu den Westmächten am Ende des Zweiten Weltkrieges erläutert er das Konzept: „Eine intellektuelle Elite im KGB versuchte (…) Hilfe aus dem Westen zur Rettung des Systems zu erlangen und die dafür notwendigen Voraussetzungen zu schaffen“, so der frühere Gesandte in Moskau. Die deutsche Einheit war in diesem Kalkül Verhandlungsmasse. Wer die Hintergründe der jüngsten Geschichte verstehen will, kommt an diesem hochinformativen Werk nicht vorbei. Und wer nach Namen der deutschen Personen dieses „KGB-Kalküls“ sucht, wird zumindest zwischen von Arnims Zeilen fündig. (fis)

Joachim von Arnim: Zeitnot – Moskau, Deutschland und der weltpolitische Umbruch. Bouvier Verlag, Bonn 2012, broschiert, 560 Seiten, 29,90 Euro

 

Narziß raus! Aus Sicht des Hallenser Psychoanalytikers Hans-Joachim Maaz trifft der „Gefühlsstau“, so sein einst legendärer Buchtitel, der „ein Psychogramm der DDR“ offenlegte, auch auf das vereinte Deutschland von heute zu. Begründet wird dies mit der Diagnose einer zutiefst narzißtisch gestörten Gesellschaft, deren Protagonisten den früh erfahrenen Bestätigungsmangel nur in krankhaften Kompensationsmechanismen regulieren könnten: In der Form des Größenselbst (Gernegroß) oder Größenklein. Wenn sich beide Phänotypen zusammenfinden, bildeten sie eine verhängnisvolle kollusive Partnerschaft. Nachvollziehbar schildert Maaz dies mit Blick auf narzißtisch gestörte Figuren wie Pofalla, Guttenberg oder Wulff. Beim SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück hätte nach dieser Logik das mit „Beinfreiheit“ ausgestatte Größenselbst mit dem Größenklein der Parteibasis eine kollusive Partnerschaft besiegelt. (cd)

Hans-Joachim Maaz: Die narzißtische Gesellschaft. Ein Psychogramm. Verlag C.H. Beck, München 2012, broschiert, 236 Seiten, 17,95 Euro

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