© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/12 12. Oktober 2012

Rundum versorgt in Multikultopia
Das Sozialsystem als Endstation des Ehrgeizes zur Integration: Heinz Buschkowsky schildert, wie in Berlin-Neukölln mit Fördern ohne zu fordern ein völlig falscher Weg der Einwanderungspolitik beschritten wird.
Fabian Schmidt-Ahmad

Wieder hat es einer getan. Wieder hat jemand eine Lücke in das Gefängnis des politischen Meinungskartells gebrochen, diese inhaltliche Leere, „stets verbunden mit engagiertem und entschlossenem Nichtstun, der Political Correctness, die meist nur ein Alibi für die professionelle Tatenlosigkeit darstellt“. Mit „Neukölln ist überall“ hat nun der Bezirksbürgermeister des wahrscheinlich berüchtigtsten deutschen Stadtviertels, Heinz Buschkowsky (SPD), ein Resümee seiner langjährigen Arbeit gezogen.

Es ist das Buch eines Politikers, welches vor allem durch seinen praktischen Wirklichkeitssinn besticht. Denn die Vorstellungen, welche hier zum Ausdruck kommen, wurden unmittelbar am Leben selbst gebildet und nicht an ideologischen Ausrichtungen. Wer die Verhältnisse in Neukölln kennt, wer nicht die Augen vor den Zeichen der Zukunft verschließt, der weiß, daß hier nicht willkürlich Geschichten aus einem randständigen Bezirk mit hohem islamischem Bevölkerungsanteil zusammengetragen wurden.

Der lockere Ton der Berliner Schnauze sollte daher nicht darüber hinwegtäuschen, daß hinter den zahlreichen Anekdoten Prozesse von tödlichem Ernst stehen. Multikulturalismus, das ist nur eine wohlklingende Umschreibung für eine brutale, gesellschaftliche Transformation, in der heranwachsende Moslems langsam die Oberhand gewinnen und – ideologisch aufgeputscht – sich nehmen, was ihnen scheinbar zusteht: „In die erste Opferkategorie fallen deutsche Jugendliche, an zweiter Stelle kommt die deutsche alte Frau, und den dritten Rang nehmen alle ein, die den Eindruck von Schwäche vermitteln“, werden die Erfahrungen von Polizisten und Jugendarbeitern zusammengefaßt.

Zur dritten Kategorie gehören auch diese selbst. „Ich selbst habe immer wieder beobachtet, wie Streifenwagen an Situationen vorbeifahren, bei denen sie normalerweise anhalten würden. Eine Eskalation mit Widerstand ist wahrscheinlich, und die Polizisten sind viel zu wenige.“ Ja, die friedfertigen, verweiblichten und unfruchtbaren Deutschen sind auf dem Rückzug. Auch Buschkowsky selbst rät von Selbstverteidigung ab. „Das ist schon deshalb ein Irrweg, weil die deutschstämmigen Jugendlichen niemals den bedingungslosen Organisationsgrad der Einwandererjugendlichen erreichen werden. Ihnen fehlt nicht nur die rekrutierbare Masse, sondern auch der Haß auf alles als Triebfeder.“

Ein Verdrängungsprozeß, der die ethnischen Deutschen entweder in andere, noch offene Stadtgebiete flüchten, oder als verunsicherte und atomisierte Einzelne zurückläßt, und einen Vorgeschmack für eine Zukunft ohne sie gibt: „Die Fachleute berichten, daß sich in jüngster Zeit anscheinend ein Opfermangel entwickelt. Es gibt in den Brennpunkten und an ihren Rändern nicht mehr genug junge Deutsche. Dadurch werden jetzt vermehrt Straftaten zwischen den Einwandererethnien registriert. Also Araber gegen Türken, Araber und Türken gegen Russen oder Bulgaren und Rumänen.“

Wie läßt sich dieser Fehlentwicklung entgegensteuern? Vielleicht mit ein wenig mehr Geld für die Bedürftigen? Buschkowsky gibt eine Grundschulrektorin wieder: „Wenn elektronische Geräte ein Indiz für den Lebensstandard sind, dann geht es meinen Familien nicht schlecht. Wenn die Autos, die morgens vorfahren, ein Indiz für ihren Wohlstand sind, dann geht es meinen Familien sogar sehr gut.“ Es ist nicht die äußerliche Armut, die Buschkowsky Sorgen bereitet, sondern die innere Verwahrlosung. Schmerzlich muß der überzeugte Sozialdemokrat die Entwertung der Arbeit erleben, in der ganze Schulklassen vom Sozialamt als eigentlichem Ernährer finanziert werden.

Hier setzt Buschkowsky mit seinen Lösungshebel an. Mangelnde Integration ist für ihn vor allem ein Mangel an Bildung: „Der Deutschkurs oder das Abitur sind schärfere Waffen gegen prekäre Lebensverhältnisse als zehn Euro mehr Kindergeld oder Hartz-IV-Regelsatz.“ Also dann mehr Geld für Bildung? Auch das ist ihm zufolge so pauschal nicht richtig. Denn deutsche Bildungspolitik ist in erster Linie Familienpolitik. Aus seiner Lebenswelt lehnt der Sozialdemokrat das als Irrweg ab. Er hat Familien vor Augen, die nicht zur Erziehung fähig sind. Der Staat selbst ist es, der aus seiner Sicht erziehen muß – durchaus unter Umgehung der Familie.

Hier liegt eine große Gefahr verborgen. Denn einerseits hat Buschkowsky unleugbar recht. Das Integrationsproblem kann nicht anders als durch einen autoritär auftretenden Staat gelöst werden, alles andere sind Träumereien. Andererseits gibt Buschkowsky selbst zu, daß das Jugendamt schon längst nicht mehr in die Parallelwelt islamischer Großsippen eingreift. Es bleiben also nur deutsche Jugendliche übrig. Vielleicht diejenigen, welche sich nicht an Buschkowskys Ratschlag halten, ihre Ehre und ihre Freiheit kampflos aufzugeben.

Heinz Buschkowsky: Neukölln ist überall. Ullstein Verlag, Berlin 2012, gebunden,          397 Seiten,        19,99 Euro

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