© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  42/12 12. Oktober 2012

Adoptionsrecht für Schwule als Streitfall
Deutschlandtag: Die Junge Union gibt sich in Rostock ein neues Grundsatzprogramm und stellt sich mit der Kanzlerin gut
Hinrich Rohbohm

Der Antrag stand auf Messers Schneide. Sollen Homosexuelle die Möglichkeit erhalten, Kinder zu adoptieren? Nein, heißt es in der ersten Fassung des neuen Grundsatzprogramms der Jungen Union (JU), das am Wochenende auf dem Deutschlandtag in Rostock einstimmig beschlossen wurde.

Doch am Nein zum Adoptionsrecht schieden sich die Geister. Zahlreiche Änderungsanträge zu diesem Punkt zeigen: Die Homo-Lobby ist auch innerhalb der JU auf dem Vormarsch. In einer intensiv geführten Debatte ragen vor allem der Bundestagsabgeordnete Jens Spahn sowie der Landesverband Baden-Württemberg als stärkste Kritiker heraus. Sie fordern die Streichung der Textpassage. „Das ist doch nicht mehr zeitgemäß, die Lebensverhältnisse haben sich nun mal geändert. Homosexuelle müssen die gleichen Rechte haben wie Heterosexuelle. Wir verprellen uns da ein Wählerpotential“, meint ein Delegierter aus Nordrhein-Westfalen. Ein bayerischer JUler sieht das anders. „Wenn ich mir vorstelle, daß Schwule sich auf diesem Weg kleine Jungs ins Wohnzimmer holen können, dreht sich mir der Magen um“, beschreibt er der JUNGEN FREIHEIT seine Bedenken.

Die Auszählung erfolgt zunächst per Handheben. Resultat: hauchdünne Mehrheit für die Ablehnung des Adoptionsrechts. Protest aus Baden-Württemberg, schriftliche Abstimmung wird beantragt. Das Ergebnis wird bestätigt, 50,5 Prozent sprechen sich gegen das Adoptionsrecht aus. Dann ein dritter Versuch der Homo-Befürworter. Änderungsantrag Nummer A 33 wird nun als „Kompromißvorschlag“ verkauft. Tatsächlich beinhaltet er nichts anderes als die gerade erst zweimal abgelehnte Streichung der Adoptionsrechts-Formulierung. Der Antrag fordert die „Streichung des Satzes zum Adoptionsrecht“ und spricht sich gegen „reine Entscheidung anhand der sexuellen Orientierung des Paares“ aus und plädiert für „Einzelfallentscheidungen“.  Der Änderungsantrag wird nun plötzlich mit breiter Mehrheit angenommen. Daß damit die Homo-Lobby innerhalb der JU ihr Ziel erreicht hat, wird offenbar nur wenigen klar.

Dennoch sagt JU-Chef Philipp Mißfelder, der mit 86,54 Prozent der Delegiertenstimmen erneut in seinem Amt bestätigt wird, mit Blick auf das neue Grundsatzprogramm: „Die JU ist in vielen Teilen konservativer als die Mutterpartei.“ Das Verhältnis zur Bundeskanzlerin habe sich deutlich verbessert. Die Kanzlerin habe sich geändert, die Debatte um den konservativen Berliner Kreis in der CDU habe sich damit von selbst erledigt, gibt er sich überzeugt. Die JU unterstütze ausdrücklich die Europapolitik der Kanzlerin. Der Beifall beim Auftritt Angela Merkels bei der JU ist dennoch verhalten. Merkel ist trotzdem entspannt. Sie weiß: von ihrer Nachwuchsorganisation hat sie derzeit nichts zu befürchten. Nach ihrer Rede tritt Sven Volmering an das Mikrofon. Der Landesvorsitzende der JU Nord-rhein-Westfalen war auf vergangenen Deutschlandtagen einer der schärfsten Kritiker der Kanzlerin. Jetzt schlägt er gar vor, die Delegierten sollen Merkel für die Wiederwahl als Bundesvorsitzende der CDU nominieren. Die JU macht’s, nominiert sie einstimmig. Und Mißfelder nennt die Kanzlerin jetzt „Liebe Angela“.

„Alles Show“, meint ein JU-Insider. Hintergrund der Inszenierung sei die bevorstehende Bundestagswahl. „Da wollen viele JUler einen guten Listenplatz bekommen“. Ein weiterer Grund sei der bevorstehende CDU-Bundesparteitag im Dezember. Dann wird der Bundesvorstand neu gewählt. Nachdem die JU auf dem Deutschlandtag vor zwei Jahren die Kanzlerin kritisiert hatte, mußte Mißfelder bei der Wahl ins Präsidium das schlechteste Ergebnis einstecken.

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