© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/12 05. Oktober 2012

Die Großen ziehen sich zurück
Zeitungsmarkt: „Rheinische Post“ kauft „Saarbrücker Zeitung“ / Verlagsübernahme mit Symbolcharakter
Christian Schreiber

Die Spatzen pfiffen es schon lange von den Dächern. Seit Anfang September ist es offiziell. Die in Stuttgart ansässige Holtzbrinck-Gruppe hat sich von ihrem letzten regionalen Flaggschiff getrennt und die Verlagsgesellschaft Saarbrücker Zeitung verkauft. Als Mittler bei diesem Verkauf dient die Gesellschaft für Staatsbürgerliche Bildung (GSB).

Hinter der Vereinigung, die als Fördergesellschaft „in konfessioneller und politischer Neutralität“ die Interessen des Saarlandes vertritt, stehen die drei CDU-, SPD- und FDP-nahen Stiftungen. Das Ganze ist ein Konstrukt aus dem Jahre 1969, als die Saarbrücker Zeitung wieder in private Hände gelangte.

Die GSB besaß seither immer Anteile an der Tageszeitung, zuletzt war es rund ein Viertel, und im Bundesgebiet wurde diese Form der Partizipation mit Sorge gesehen. Entsprechend groß war die Aufregung vor einige Wochen, als durchsickerte, daß Holtzbrinck seine Anteile Schritt für Schritt an die GSB übertragen werde.

Ab 2013 soll die Rheinische Post dann insgesamt 56 Prozent der Anteile erhalten. Das bedeutet auch, daß die GSB rund 28 Prozent behält und die Mitarbeiter mit 16 Prozent in einer Beteiligungsgesellschaft an Bord bleiben.

Für das Klima im kleinsten Bundesland war dies eine wichtige Nachricht. Denn obwohl Bild im Jahr 2004 eine Lokalredaktion eröffnet hat, ist die Saarbrücker Zeitung bis heute uneingeschränkter Platzhirsch. Bild verkauft sich etwa 55.000mal. Noch weniger rentabel war die Welt kompakt, die sich nur kurz auf dem Markt halten konnte. Trotz Einbußen erreicht die Printausgabe der Saarbrücker Zeitung immer noch eine Auflage von rund 150.000 Stück.

Gelesen wird das Monopol-Blatt täglich von rund 500.000 Menschen, damit wird jeder zweite Saarländer erreicht. Es ist viel gerätselt worden, warum sich Stefan von Holtzbrinck dazu entschlossen hat, die Zeitungsgruppe zu verkaufen. Denn obwohl sich die Auflage (wie bei fast allen Printprodukten) kontinuierlich nach unten bewegte – im Jahr 2000 betrug sie noch rund 190.000 – warfen die Saarbrücker Zeitung und ihre Töchter Trierischer Volksfreund (90.000 Auflage), Pfälzischer Merkur (7.700 Auflage) und Lausitzer Rundschau (88.000 Auflage) satte Gewinne ab.

Die Unternehmensgruppe liefert zudem Postdienstleistungen, Telefon- und Branchenbücher, Internet-Portale und IT-Dienstleistungen. Von besonderer Bedeutung ist das in Luxemburg ansässige Tochterunternehmen Euroscript S.A., ein international führender Übersetzungs- und Dokumenten-Management-Dienstleister mit einem Umsatz von rund 100 Millionen Euro. Euroscript wird auch als die „Goldgrube der Saarbrücker Zeitung“ bezeichnet. Bei der Unternehmensgruppe sind insgesamt 2.700 Mitarbeiter beschäftigt. Der Umsatz lag 2011 bei rund 320 Millionen Euro.

Über den Kaufpreis wurde Stillschweigen vereinbart, Branchenkenner sprechen aber von rund 200 Millionen Euro, die über den Tisch gingen. Die Entscheidung bedarf noch der Zustimmung des Kartellamts, was die Beteiligten jedoch als Formsache ansehen. Mit dem Verkauf der Zeitungsgruppe, einem der größten Deals auf dem deutschen Zeitungsmarkt seit Jahren, verabschiedet sich der Stuttgarter Medienkonzern Holtzbrinck von einem Großteil seines Printgeschäfts.

Es bleibt lediglich das Wochenblatt Die Zeit. Der Branchenreport Mediencity bilanziert: „Die Konzentration der schrumpfenden Regionaltagespresse in Deutschland geht mit verändertem Kompaß weiter – weg von Großverlagen wie Holtzbrinck oder Springer, die sich vor sinkenden Auflagen und schrumpfenden Werbeerlösen in andere Geschäftsfelder geflüchtet haben, hin zu mittleren Verlagen wie der Augsburger Pressedruck, an die zuletzt Main-Post und Südkurier gingen, oder eben zur Rheinischen Post (RP), den neuen Größen der Branche.“

Die Printausgabe der RP wird derzeit von mehr als 340.000 Menschen täglich gekauft, damit rangiert sie in der Liste der auflagenstärksten Tageszeitungen auf Platz sechs. Der Zukauf der Saarbrücker Zeitung ist für die Rheinische Post von strategischer Bedeutung. Schließlich verlängert sie ihren direkten Wirkungsbereich entlang der Landesgrenzen bis in den Südwesten der Republik.

Die Übernahme der Anteile ist im Saarland übrigens mit einigem Argwohn beobachtet worden. Der Holtzbrinck-Konzern hielt sich mit redaktionellen Weisungen stets zurück, obwohl Verleger Stefan von Holtzbrinck lange dem Aufsichtsrat vorsaß. Die Rheinische Post gilt innerhalb der Branche eher als konservatives Blatt. Die Saarbrücker Zeitung ist dagegen eine typische Regionalzeitung, die aufgrund ihrer Verbandelung über die Gesellschaft für staatsbürgerliche Bildung nie wirklich an der Aufdeckung von Skandalen interessiert gewesen ist.

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