© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/12 05. Oktober 2012

Bewerbung mit dem Vorschlaghammer
Bankenreform: Peer Steinbrück erläutert in seinem Papier zur „Bändigung der Finanzmärkte“ warum man ihn nicht wählen sollte
Wilhelm Hankel

Reißen Sie Ihr Haus ein, wenn Sie das Dach neu decken wollen? Schwerlich. Doch genau diesen Vorschlag macht Peer Steinbrück. Unter dem Titel „Vertrauen zurückgewinnen: Ein neuer Anlauf zur Bändigung der Finanzmärkte“ legt der Kanzlerkandidat der SPD ein Papier vor, in dem er erläutert, wie er „anonymen Managern, die unter weitgehender Haftungsfreistellung mit unvorstellbaren Summen auf Renditejagd gehen“, das Handwerk legen will. So verständlich sein Ziel ist, deutschen Bankern die Lust am Spekulieren mit Kundengeldern abzugewöhnen, so fraglich ist das Mittel.

Steinbrück will bei der deutschen Universalbank „Risiko und Haftung durch eine Trennung von Geschäfts- und Investmentbanking“ wieder zusammenführen. Das deutsche Bankensystem soll nach altem angelsächsischen Muster künftig zweigeteilt werden: in brave, kundensichere Kredit- und Sparbanken, deren Einleger den vollen Schutz der staatlichen Einlagengarantie genießen und die auf höhere Renditen spekulierenden „Investmentbanken“ (und deren Hedgefonds), deren Kunden dieser Schutz versagt bleibt.

Doch etwas fundiertere Geschichtskenntnisse hätte man einem alten und eventuell künftigen, den eigenen Finanzminister spielenden Kanzler (nach seinem Vorbild Helmut Schmidt) schon zugetraut. Ob deutsche Universalbank oder anglo-amerikanische Trenn- und Spezialbank – beide haben ihre Stärken und Schwächen. Als in England und den USA die Industrialisierung begann, waren dort Banken und Börsen getrennt. Erstere waren für den kurzfristigen Kredit zuständig, letztere für die langfristige Kapitalbeschaffung. Da, wo im weiten Land die Börsen fehlten, sprangen flächendeckend die Investmentbanken ein. Die aus dem Mittelstand kommenden Industriepioniere an Rhein und Ruhr konnten nur auf ihre Hausbanken zurückgreifen, um Kredit in Kapital umzuwandeln. Oft waren es Sparkassen und Volksbanken, denn die heutigen Großbanken waren noch nicht gegründet.

Was stört Steinbrück an der Universalbank deutscher Prägung? Er fürchtet offenbar eine zweite Lehman-Krise, den Konkurs einer Investmentbank, der 2008 auch deutschen Sparern erhebliche Verluste zufügte. Doch welche Logik waltet hier? Weil eine Trennbank (die US-Investmentbank Lehman Brothers) mit leichtfertiger Spekulation das Geld ihrer Privatkunden verbrannte, kommt der SPD-Finanzexperte zu dem Schluß, man müsse just diesen Bankentyp in Deutschland einführen.

Worüber soll man mehr staunen: die Unlogik des Vorschlages oder die Unkenntnis der Fakten? In den USA wie in Deutschland waren es Trennbanken (hierzulande die vom Normalgeschäft abgetrennten Hypothekenbanken), die die Krise auslösten und bis heute (siehe Milliardengrab HRE) ihre Dauerbrenner geblieben sind! Und warum sind Deutschlands Universalbanken (sogar die im Spekulationsgeschäft mit Abstand führende Deutsche Bank) weit besser durch die noch immer schwelende Finanzkrise gekommen als ihre Konkurrenten in den USA, England oder im Fernen Osten? Weil Steinbrück und seinen Beratern zweierlei entgangen ist: Erstens, daß gerade in der Krise das Verrechnen von Verlusten in einem Geschäftszweig mit den Gewinnen im anderen seine unverkennbaren Vorteile hat. Die Kunden zittern weniger um ihr Geld, der Staat braucht weniger Geld für die Bankenrettung einzuschießen.

Zweitens und wichtiger: Systemzertrümmerung und Regulierung sind nicht dasselbe! Deutschland ist Vorzeigeland für eine auf strengen Organisationsgesetzen beruhende Banken- und Versicherungsaufsicht. Natürlich kann und muß jede Finanzaufsicht verbessert werden, wenn sich die Strukturen der Bankgeschäfte und der angebotenen Finanzprodukte ändern. Nur: Das ist ein mühsameres Geschäft, als mit dem Vorschlaghammer zuzuschlagen und ein erprobtes System auf den Schrottplatz zu werfen. Steinbrück scheint entgangen zu sein, daß nicht nur Deutsche und Commerzbank Universalbanken sind, sondern alle vom Geschäft her spekulationsfernen und überdies – durch Kommunen und genossenschaftliche Anteilseigner – demokratisch kontrollierten Sparkassen und Volksbanken. Gerade die gegenwärtige Bankenkrise bestätigt, daß die Universalbank der stabilste und robusteste Typ ist, den es in Zeiten unsicherer und volatiler Märkte gibt. Er verlangt vom Management mehr als Dienst nach Vorschrift.

Und was ist mit der „Gier“ und den diversen Entgleisungen bei Boni-Zahlungen? Schreien sie nicht förmlich nach einer strengeren Aufsicht? Ja, das tun sie. Doch welche Anforderungen das an Sachkunde, Kompetenz und Erfahrung verlangt, hat erst kürzlich die Deutsche Bundesbank demonstriert, als sie fast resignierend feststellte, wie schwer allein im Wertpapiergeschäft der Banken die Abgrenzung zwischen normalen Kundenaufträgen und dem bisweilen, aber keineswegs durchgängig, spekulativen Eigenhandel der Banken sei.

Als Bundesfinanzminister räumte Steinbrück anläßlich der Weltfinanzkrise resignierend ein: „Politik bedeutet, auf der Basis unzureichender Informationen entscheiden zu müssen.“ Sein Finanzmarktpapier zeigt, daß das auch sein Problem ist. Er könnte noch dazu lernen. Wenn das Steinbrücks Reifezeugnis für das höchste Regierungsamt gewesen sein soll, dann haben die Amtsinhaber nicht allzuviel von ihm zu befürchten.

 

Prof. Dr. Wilhelm Hankel war unter SPD-Minister Karl Schiller Leiter der Währungsabteilung des Wirtschaftsministeriums und Chef der Bank- und Versicherungsaufsicht.

Das Steinbrück-Papier im Internet: www.peer-steinbrueck.de

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