© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  41/12 05. Oktober 2012

Deutschland in der Krise
Was wirklich wichtig wäre
Rolf Stolz

Kurz bevor die Türken Byzanz eroberten, debattierte man dort noch, ob Bilder Christi heilige Ikonen oder verbotener Teufelskram seien. Während Deutschland gemütlich untergeht, von der Abendsonne günstiger Konjunktur beschienen, streiten seine Politiker mit fundamentalistischem Eifer über das Betreuungsgeld und die Besteuerung der „Homo-Ehe“. Mit Scharmützeln auf Nebenschauplätzen, von Fußballrandale bis zu Gottschalkereien, werden die Massen abgelenkt und ruhiggestellt. Gegen Kritiker wird primitive Hetze verbreitet, etwa durch die Kolumnistin Mely Kiyak über Thilo Sarrazin: „lispelnde, stotternde, zuckende Menschenkarikatur“.

Unterdessen spart der Raben-Vater Staat auf Kosten der Zukunft, wühlt zum Wohle von WallStreet- und Deutsch-Bankern in unseren Taschen. Er animiert zum Lustkauf-Rausch, um gleichzeitig das per Märchensteuer und faktischer Rentenkürzung durch die „Rente mit 67“ ausgeplünderte Volk mit der Fata Morgana privater Altersvorsorge zu locken.

Gleichzeitig knirscht es bedrohlich im Schneeballsystem der Euro-Fehlkonstruktion und der amerikanischen Gelddruck-Wirtschaft. Der Wirtschaftsjournalist Bill Bonner schreibt: „Die USA werden zahlungsunfähig (…) und werden gaunermäßig. Genau wie Argentinien in den Achtzigern.“ Spanien wird Griechenlands Zwillingsbruder. Irland exportiert vor allem Menschen, ganz wie anno 1845. Eines aber ist todsicher in Europa: die absolute Unsicherheit des Rentensystems und der Anbruch der demographischen Katastrophe in ein bis zwei Generationen.

Doch was geschieht? Keine Partei vertritt die wirklichen Kinderrechte, die wirklichen Zukunftsinteressen: den absoluten Vorrang der Familien (einschließlich eines Familienwahlrechts), umfassende Kostenbefreiung (vom Kindergarten bis zum Schulessen, der Schulkleidung), das Verhindern möglichst vieler Abtreibungen und einiges mehr. An drastische Steuererhöhungen für die reichsten zehn Prozent und für alle Kinderlosen, an einen Verschwendungsstopp wagt sich niemand. Aber nur dadurch und durch Forschung, nachhaltiges Wirtschaften und Exportoffensiven, nur durch Stärkung Deutschlands als souveräne Demokratie und einflußreiche Friedensmacht wird unser Land das 21. und das 22. Jahrhundert überleben.

 

Rolf Stolz war Mitbegründer der Grünen und lebt heute als Publizist in Köln.

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