© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/12 28. September 2012

In die Heimat zurückgekehrt
Nachruf: Zum Tod von Herbert Rosendorfer
Christian Dorn

Im Herbst beginnt das „Shai-we-ta“. So würde es Herr Kao-tai nennen, der Protagonist aus Herbert Rosendorfers „Briefen in die chinesische Vergangenenheit“. Diese, obgleich über zwei Millionen Mal verkauft – Übersetzungen nicht mitgezählt –, waren nie von einem Großkritiker besprochen worden und auch nie auf einer Bestsellerliste zu finden. Dieser Umstand steht wohl stellvertretend für die Existenz des Autors Herbert Rosendorfer, einem der unbekanntesten unter den populärsten Schrifstellern im deutschsprachigen Raum. Vergangene Woche, am 20. September, verstarb der „Universalgelehrte“ mit 78 Jahren nach längerer Krankheit in seinem Geburtsort Bozen. Daß sich der Lebenskreis dort schloß, wo er einst begann, war nicht selbstverständlich.

Während Herr Kao-tai freiwillig für acht Monate aus der Gegenwart in die Zukunft floh, um dann wie geplant in seine „Zeit-Heimat“ zurückzukehren, war Rosendorfers Lebensweg zunächst fremdbestimmt. Geboren am 19. Februar 1934, verließ die Familie gemäß dem Optionsabkommen von 1939 das geliebte Südtirol in Richtung München. Wirklich heimisch wurde Rosendorfer dort, wo er ab 1967 die überwiegende Zeit seines beruflichen Lebens als Richter wirkte, nicht. Heimat, so bekannte er in der JUNGEN FREIHEIT (JF 30/11), sei für ihn „der Ort, an dem ich mich sicher fühle“. Dieses Gefühl stellte sich erst wieder ein, als der pensionierte Jurist Rosendorfer Ende der neunziger Jahre nach Südtirol zurückkehrte, nachdem er zuvor noch als Richter im sachsen-anhaltinischen Naumburg gewirkt hatte.

Neben seiner juristischen Laufbahn reüssierte Rosendorfer nicht nur als Schriftsteller, sondern auch als Sachbuch- und Drehbuchautor, Maler und Komponist; er war von einer Vielseitigkeit und Produktivität, die für mindestens zwei Leben reichte. Allein schon die werkfremden Regisseure, die Bayreuth heimsuchen, lassen seine unterhaltsamen Wagner-Betrachtungen („Bayreuth für Anfänger“, „Bayreuth für Fortgeschrittene“), als Pflichtlektüre erscheinen. Zu verweisen ist auch auf seine – von der Historikerzunft tabuisierte – „Deutsche Geschichte“.

Gleichwohl steckte im oft satirischen, skurrilen und ironischen Stil Rosendorfers eine grundsätzliche Skepsis: In seiner „Kindheit in Kitzbühel“ räsonierte der Autor mit Blick auf Italien: „Vielleicht bewältigt ein Volk seine politische Vergangenheit nur, indem es sie unbewältigt läßt.“

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