© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/12 28. September 2012

CD: Kammermusik
Gezupft und geschlagen
Andreas Zöllner

Die Mandoline war das Instrument der adligen Dilettanten. Diese Musik hatte nichts Repräsentatives, war persönlicher Ausdruck gelegentlicher Stimmung. Musiziert wurde im geschlossenen Kreis der Freunde und Liebhaber. Im 19. Jahrhundert wurde das Zupfinstrument zum volkstümlichen und kleinbürgerlichen mobilen Klavierersatz. Es bildeten sich Mandolinenquartette und Zupforchester. Entsprechend der Bratsche des Streicherensembles wurde für diesen Zweck die Mandola entwickelt. Grammophon und Plattenspieler vertrieben diese Form eigenhändiger Musikerzeugung. Heute kehrt diese intime und unprätentiöse Tonkunst über die Konzertpodien zurück.

Takaaki Shibata und Christian Laier studierten gemeinsam in Kassel, und seither musizieren sie als Duo mit Mandoline und Mandola. Die Mandola tritt in ihren Darbietungen der Mandoline gleichberechtigt an die Seite. Die CD „Sky blue flower“ versammelt eine Reihe kurzer Stücke für diese Besetzung. Die „Invenzione a due“ des 1957 geborenen italienischen Komponisten Claudio Mandonico ist ein Reigen, zu dem sich Mandoline und Mandola immer wieder die Hände reichen und gegenseitig wechselnd die Stimmführung überlassen. In drei der Cembalo-Sonaten Domenico Scarlattis bringt das Duett der Zupfinstrumente zu Gehör, was sonst einer mit seinen Händen der Tastatur abverlangt.

Die Originalkomposition für zwei Mandolinen des Neapolitaner Gabriele Leone, eines Zeitgenossen Scarlattis, ist simpler und wie eine Visitenkarte dieses schlichten Instrumentes. Pedro Chamorro ist ein versierter Bandurria- und Mandolinenspieler unserer Tage. Sein „Danza del Vino“ spannt den klanglichen Ausdruck weiter. Bacchantisch ausgelassen wird den kleinen Resonanzkörpern eine gitarristische Lautstärke abgetrotzt. Raffiniert weiß der Komponist einen recht überschaubaren musikalischen Einfall durch Einschübe und Wiederholungen spannend zu entwickeln.

Den iberischen Ton greift Yasuo Kuwahara auf und führt in die Stierkampfarena. „Within the fence“ treibt den Stier eine rasante, doch aussichtslose Jagd an der Bande entlang. Fast ein Kabinettstück der Tondichtung in einem spätromantischen Sinne. Das harte, kurze Zupfen hat perkussive Qualitäten. Das kleine Requiem auf den Stier trägt fernöstlichen Charakter. Agonie und Apotheose des Tieres werden ausgeleitet in einen Todesmarsch, in dem die Kraftfülle des überwundenen Wesens noch einmal gebieterisch hervortritt.

Das titelgebende Stück von der himmelsblauen Blume folgt einem japanischen Gedicht, in dem über eine verborgene, unerwiderte erste Liebe nachgesonnen wird. Einkehr und Reflexion bestimmen die Musik. Wieder lautmalerisch und effektvoll gebärden sich die „Aquafishes“ von Yoshinao Kobayashi ebenso wie Daniel Huscherts „Canyon“. Das Fisch-Pärchen schnellt nach der Ordnung traditioneller japanischer Tonfolgen durch das Wasser; in Huscherts Gebirgsschlucht wechseln Schroffen mit Plateaus. Mal tonlos geschlagen und geraschelt, mit perlendem Klimpern, unisono oder weit auseinandertretend, wissen die beiden Virtuosen ihren bescheidenen Werkzeugen eine Vielzahl verblüffender Wirkungen abzutrotzen.

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