© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/12 28. September 2012

Kollektive Verantwortungslosigkeit
Währungskrise: Nicht nur Fed und EZB drucken Geld – Japan und China ziehen nach
Albrecht Rothacher

In Frankfurt und New York glühen die Geldpressen – und Tokio und Peking ziehen nach. Die Europäische Zentralbank (EZB) hat sich angesichts der Euro-Krise nun dem massivem Kauf von Staatsanleihen verschrieben. Das macht die amerikanische Notenbank Fed schon länger – und deren Chef Ben Bernanke kündigte sogar an, man werde so lange US-Schatzbriefe kaufen, bis die meisten Arbeitslosen wieder ein Stelle haben. Da wollen auch die zwei größten Volkswirtschaften Asiens nicht zurückstehen. Es ist Angst vor einer weiteren Aufwertung von Renminbi und Yen, die chinesische und japanische Exporte verteuern und belasten. Hinzu kommt die Sorge vor rückläufigem Wachstum, weil der krisenhafte reiche Westen als Absatzmarkt zunehmend ausfällt.

Im Falle Japans kommen hausgemachte Probleme hinzu. So krebst die Wachstumsrate um plus 1,7 Prozent herum – mit abnehmender Tendenz. Während Toyota mit General Motors und VW um den Spitzenplatz in der globalen Autoproduktion ringt, verlieren einst führende Elektronikkonzerne wie Panasonic, Sharp und Sony mit dem teuren Yen Exportmärkte, sie schreiben trotz Spitzenprodukten rote Zahlen.

So stockte die Bank von Japan – für manche überraschend – ihr Kaufprogramm von kurzfristigen Staatsanleihen um umgerechnet 100 Milliarden Euro (entspricht etwa zwei Prozent des japanischen Bruttoinlandsprodukts/BIP) auf 450 Milliarden Euro auf. Damit fiel der Yen-Kurs, wie beabsichtigt, kurzfristig zum Dollar, und die Börse tat auch einen kurzen Freudensprung. Doch am Montag fiel der Kurs wieder unter 78 Yen pro Dollar. Vor fünf Jahren waren es noch über 120 Yen gewesen – das entspricht einer Aufwertung von mehr als 50 Prozent. Der japanische Leitzins bleibt zwischen 0,0 und 0,1 Prozent. So kann man in Tokio Bankenwerbungen sehen, die mit 0,03 Prozent Zinsen für langfristige Einlagen werben.

Daß Japan trotz der lockeren Geldpolitik keine Inflation, sondern weiter eine Deflationsrate von minus 1,5 Prozent ausweist, ist dem Umstand geschuldet, daß die Binnennachfrage weiter so gering ist, daß Firmen und Handel hauptsächlich über Preisnachlässe konkurrieren. Zu den beliebtesten Läden zählen deshalb inzwischen die „100-Yen-Läden“, wo allerdings im Gegensatz zu deutschen Ein-Euro-Läden nicht nur Plunder, sondern nützliche, meist aus China importierte Haushaltsgeräte zu haben sind und wo sich die Normalverbraucher mit schrumpfenden Realeinkommen noch reich fühlen können. Auch China reagierte auf EZB und Fed auf seine Art: Peking pumpt Geld in den Interbankenmarkt und weitete im August allein die Geldmenge um 33 Milliarden Euro aus. Die Zentralbank senkte die Leitzinsen gleich zweimal und verminderte die Reserveanforderungen an die Banken. Wie immer bei politischen Machtübergaben in China – so bei dem Ende Oktober bevorstehenden 18. Parteitag der alleinherrschenden Kommunistische Partei – bereiten die neuen nationalen und regionalen Kader massive Investitionsprogramme vor, von denen sie sich karrierefördernde Denkmäler versprechen.

Der aktuelle Knüller sind neue Stadtbahnen in allen Großstädten. Davon erhofft man sich neue Wachstumsimpulse, denn das aktuelle Jahreswachstum von „nur“ 7,5 Prozent gilt nach chinesischen Maßstäben als außerordentlich schwächelnd. Dabei hat China mit den vergangenen Konjunkturprogrammen eher gemischte Erfahrungen gemacht. Überkapazitäten, faule Kredite und Immobilienblasen haben massiv Kapital vernichtet. Zugleich nimmt der wirtschaftliche Nutzen der großen staatlichen Infrastrukturinvestitionen kontinuierlich ab.

Die internationale Marktreaktion auf die Liquiditätsschübe der großen Vier – USA, Europa, Japan und China – ließ nicht lange auf sich warten. Niemand glaubt länger ernsthaft, daß die jeweiligen Zentralbanken willig oder fähig sein werden, den Märkten jene massive Liquidität wieder zu entziehen. Dies wuerde durch verknappte Geldmengen und höhere Zinsen wahrscheinlich eine weitere Rezession auslösen.

Angesichts der mittelfristig zu erwartenden weltweiten Geldentwertung, die auch „elegant“ die unbezahlbaren Staatsschulden auf Kosten von Sparern und Rentnern entsorgen wird, ziehen als Fluchtinvestitionen die Preise für Gold und Rohstoffe massiv an. Mittelfristig ist dies auch für Immobilien und Aktien – mit der Gefahr von Preisblasen und deren unvermeidlichem späteren Platzen – zu erwarten. Angesichts all dessen bietet der west-östliche Wirtschaftsdivan derzeit ein Schreckensbild kollektiver Verantwortungslosigkeit.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen