© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/12 28. September 2012

Grüße aus Kapstadt
Trügerische Idylle
Yorck Tomkyle

So langsam will es Frühling werden auf der Kaphalbinsel. Bis es soweit ist, wird man die Capetonians allerdings noch ein Weilchen in Pullover und Windjacke an den Stränden spazierengehen sehen.

Wenn man dieser Tage auf einem der großen Felsbrocken in Boulders Beach sitzt und die Brillenpinguine beobachtet, die im Sommer wieder zwischen den Badegästen herumwatscheln werden, dann schwingt auch ein bißchen Wehmut mit: Schon wieder so eine Nachricht, die den Abgrund hinter dieser Idylle zeigt und einem das Blut in den Adern gefrieren läßt.

Dieses Mal hat es die sportbegeisterten Südafrikaner ins Mark getroffen. Einer ihrer größten Helden ist bei einem Raubüberfall auf ein Restaurant in Brits bei Pretoria getötet worden. Der ehemalige Boxweltmeister im Schwergewicht Corrie Sanders – 2003 spektakulärer Bezwinger von Wladimir Klitschko – wurde bei einem bewaffneten Raubüberfall auf eine private Feier erschossen. Ein Zeuge sagte aus, Sanders habe keineswegs den Helden spielen wollen und sei wohl nur erschossen worden, damit die anderen Opfer sähen, daß die Täter es ernst meinen. Er sei ein Zufallsopfer, das zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen sei.

Südafrika verliert damit einen seiner größten Sportler, und es ist damit zu rechnen, daß die wegen der seit Jahren permanent hohen Gewaltwelle versandete Diskussion über die hohe Mordrate aufgrund der Beliebtheit und Prominenz des Opfers in den nächsten Wochen wieder neu entbrennen wird.

Doch als Capetonian ist man hart im Nehmen und genießt die Fahrt auf dem atemberaubenden Chapmans Peak Drive von Boulders Beach zurück in die Stadt, inklusive einem Päuschen im malerischen Fischerdorf Hout Bay. Ein ruhiger Ort, in dem sich einst die Mittelschicht der Großstadt niederließ. Nach dem Ende der Apartheid war es mit der Idylle vorbei – am Ortseingang entstand auf einer ungenutzten Fläche ein „Squatter Camp“, eine wilde Siedlung aus Wellblechhütten, deren Einwohnerzahl rasch wuchs. Parallel dazu stieg die Gewaltkriminalität an, und die Immobilienpreise fielen um 30 Prozent.

So sei das eben, meint ein Gast im Mariner‘s Wharf, dem örtlichen Fischrestaurant, die Armen nähmen sich nun mit Gewalt das, was sie haben wollten. Das sei von der politischen Führung durchaus nicht ungern gesehen, zumal es sich auch um ethnische Grenzen handele. Möglich, daß er recht hat: Viele Weiße ziehen weg aus Hout Bay.

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