© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  40/12 28. September 2012

„Opfer einer Verleumdung“
Immer schärfer geht die Polizei gegen Rockergruppen vor. Rudolf Triller, genannt „Django“, ist Sprecher der Hells Angels und sieht diese als Opfer einer Kampagne. Sind Rocker kriminelle Schläger oder tatsächlich nur „Anderslebende“? Ein Streitgespräch.
Thorsten Thaler / Moritz Schwarz

Herr Triller, hiermit wären wir nun also Teil der Medienstrategie der Hells Angels.

Triller: Inwiefern?

Das sagt die Journalistin Gita Ekberg, Autorin von „Die neue Macht der Rocker“, laut der Sie Interviews nutzen, „um die Legende vom harmlosen, freiheitsliebenden Motorradfahrer zu transportieren“.

Triller: Moment, Sie haben doch mich um das Interview gebeten. Aber typisch Ekberg! Ich habe persönlich mit dieser Frau kein Problem, wohl aber mit ihrer „Berichterstattung“. Ich kann gern im Detail darauf eingehen. Aber noch etwas zuvor: Einigen wir uns auf „Django“.

Gut, aber ein Imageproblem haben die Hells Angels ja nun auf jeden Fall, da hat Frau Ekberg doch recht.

Django: Nein. Ich bin jetzt schon 35 Jahre bei den Hells Angels und wir hatten noch nie ein gutes Image, und das zu ändern, wie Frau Ekberg unterstellt, haben wir auch nie versucht. Das liegt überhaupt nicht in unserem Interesse.

Auch die „Süddeutsche Zeitung“ sagt, Sie seien der Mann, den der König der Hells Angels, Frank Hanebuth, vorschickt, um die Truppe als „liebe Jungs“ zu verkaufen.

Django: Frank Hanebuth kann mich nicht vorschicken. Er ist in Hannover und ich in Bremen. Und Titel wie „Deutschlands Rockerkönig“ denken sich die Medien aus, um ihre Schlagzeilen zu füllen. Es gab, gibt und wird nie einen geben, der den Hells Angels sagt, was sie zu tun und zu lassen haben. Das würde unserem Geist total widersprechen.

Womit wir wieder beim Bild von den freiheitsliebenden Motorradfahrern wären.

Django: Die Hells Angels wurden schon immer schräg angesehen, einfach weil sie anders sind. Das trifft natürlich nicht nur auf die Motorradszene zu, das ist auch bei Hippies oder Punkern so gelaufen, aber es ist immer das gleiche Prinzip: Was der Gesellschaft zuwiderläuft, erfährt Anfeindung, Diskriminierung, üble Nachrede. Wir werden generell als Außenseiter betrachtet.

Hat das nicht auch vor allem damit zu tun, daß die Hells Angels bekanntlich schwer im Rotlichtmilieu engagiert sind?

Django: Pauschal zu sagen, die Hells Angels seien Teil des Rotlichtmilieus, ist sachlich falsch! Die absolute Mehrheit der Hells Angels geht normalen Berufen nach, manche sind sogar Ärzte oder Rechtsanwälte. Richtig ist, daß einige im Rotlichtmilieu aktiv sind, aber das ist erstens nur ein ganz kleiner Teil und zweitens ist das nicht illegal. Aber hier zeigt sich deutlich, wogegen wir uns verwehren: daß Delikte einzelner der gesamten Gruppe angerechnet werden.

Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hat im Januar das Verbot des Hells-Angels-Charters „Borderland“ mit dem Hinweis bestätigt, das strafgesetzwidrige Verhalten einzelner Mitglieder sei durchaus dem Verein zuzurechnen. Zuvor hatte das Oberverwaltungsgericht Schleswig-Holstein im Fall des Vereinsverbots der Hells Angels Flensburg 2011 ähnlich argumentiert.

Django: Natürlich gibt es auch in den Reihen der Hells Angels kriminelle Geschichten, das bestreitet keiner. Nur möchte ich klarstellen: Die Hells Angels existieren in Deutschland seit etwa vierzig Jahren. In dieser Zeit ist kein einziger Hells Angel wegen Mordes verurteilt worden, kein einziger wegen Kinderschändung oder ähnlichem. Und wenn das, was einzelne verbrochen haben, bei Hells Angels allen angerechnet wird, dann müßte das bitte schön so auch für andere Gruppen gelten, etwa Polizei oder Parteien. Da kämen die aber ganz schön in die Bredouille!

„Wenn wir stets Mann gegen Mann kämpfen würden, dann müßten wir uns rund um die Uhr prügeln, statt dessen ist es besser, nur einen derartig zur Sau zu machen, daß die nächsten Typen sich gar nicht an uns herantrauen.“ Wissen Sie, von wem der Satz stammt?

Django: Von Ralph „Sonny“ Barger, einem der bekanntesten Hells Angels aus Kalifornien.

Seine 2001 auch auf deutsch erschienene Autobiographie „Hells Angels. Mein Leben“ ist von vorne bis hinten durchzogen von Geschichten über Schlägereien, Drogengeschäfte, Prostitution und Waffengewalt, bis hin zu Mord und Totschlag.

Django: Ja, aber Sonny ist ein Kind der USA der sechziger Jahre. Das war eine ganz andere Zeit. Das kann man nicht mit heute vergleichen.

Zum Beispiel?

Django: Nehmen Sie etwa die Nazi-Devotionalien, die damals bei den US-Rockern sehr verbreitet waren. Ich habe Sonny mal selbst gefragt, wie sie denn bitte eigentlich auf den Dreh gekommen sind. Ausgerechnet Hakenkreuze an ihre Motorräder anzubauen! Raten Sie, was er geantwortet hat?

Was?

Django: Tatsache ist, die Hells Angels wurden von vielen ehemaligen Soldaten des Zweiten Weltkriegs gegründet und seine Antwort war, daß jeder, der aus dem Krieg zurückkam, sich diese Siegestrophäen angebaut hat. Ich habe erstmal die Luke kaum mehr zugekriegt, an alles habe ich gedacht, aber nicht daran: Es waren einfach Beutestücke, die haben sie sich an die Jacken oder ins Wohnzimmer gehängt. Als wir einigen amerikanischen Hells Angels später erklärt haben, was die fucking SS eigentlich wirklich war, nämlich zu 98 Prozent eine Polizeitruppe, da haben die geguckt wie ein Auto. Das wußten die gar nicht. Sie haben die Dinger dann wieder abgeschraubt, denn mit Abzeichen einer „Fucking Police“ wollten sie nicht herumfahren. In Deutschland ist so etwas natürlich von vornherein undenkbar. Und zu Recht, sage ich, denn mein Vater war im Widerstand gegen Hitler, ich bin so aufgewachsen. Aber verstehen Sie, was ich meine? Man muß immer den Hintergrund kennen, sonst versteht man die Dinge nicht.

Gut, aber Sie berichten, damals selbst jedes Wochenende an Schlägereien beteiligt gewesen zu sein.

Django: Ja, und wissen Sie warum? Weil ich lange Haare hatte. Außerdem bin ich damals mit einer Zigeunerin verlobt gewesen und wurde dafür wie ein Verräter behandelt. Damals habe ich gelernt, den Spießbürger zu verachten!

Moment Django, von Ihnen stammt der Satz: „Gewalt gehört zum Leben wie Sex.“

Django: So ist es auch.

So ist es nicht: Wir leben in einer Gesellschaft, in der der Staat die Gewalt monopolisiert hat und alle, die sich nicht daran halten, gelten per Definition zu Recht als Rechtsbrecher. So ein Satz legitimiert also, die Hells Angels als kriminell anzusehen.

Django: Unsinn. Vergewaltigung etwa ist Scheiße, aber deshalb kann ich nicht sagen, Sex sei das auch und sei nicht natürlich. Gewalt ist vielleicht unmenschlich, aber sie ist nicht unnatürlich. Deshalb muß man lernen, mit ihr umzugehen, das ist der springende Punkt. Und wenn mir einer, so wie Sie jetzt, versucht zu erzählen, daß Gewalt nicht zur menschlichen Natur gehört, dann frage ich: Warum gibt es dann in jedem Land einen Verteidigungsminister, teure Waffen und eine Armee?

Die allermeisten Deutschen führen ein Leben ganz ohne Gewalt – nur Ihnen wird die Gewalt quasi immer aufgezwungen?

Django: Auch normale Bürger werden doch in Mord, Körperverletzung, Kindesmißhandlung, Erpressung, Raubüberfälle usw. verwickelt. Und es ist doch klar, daß jemand, der wie ich früher, etwa in Hamburg-St. Pauli wohnt, ein bißchen gefährlicher lebt als Leute im Hochkamp oder wie die Bonzenviertel heißen. Auf mich wirkt es ein bißchen naiv, zu sagen: „Ich halte mich von allem fern, dann werde ich niemals mit Kriminalität in Verbindung kommen.“ Das sagen Sie mal den Hinterbliebenen von Gewaltverbrechensopfern, daß ihre Angehörigen wohl irgendwie alle selbst schuld waren!

Davon reden wir doch gar nicht, sondern zum Beispiel davon: Im Juni 2009 überfallen Hells Angels in Bad Kreuznach einen konkurrierenden Rocker, der schließlich an seinen Verletzungen stirbt. Die beiden wurden rechtskräftig verurteilt, der Fall ist höchstrichterlich bestätigt.

Django: Da gebe ich Ihnen recht, so etwas sollte nicht passieren und ist zu verurteilen. Aber das ist wieder die Schiene, zu versuchen, die Taten einzelner allen anzulasten. Nochmal: Tun Sie das auch in Fällen von kriminellen Polizisten oder Politikern? Die Hells Angels gibt es, wie gesagt, bei uns jetzt seit vierzig Jahren. Wenn man mal zusammenrechnet, was seitdem an Verurteilungen zusammengekommen ist, dann ist das so überschaubar, daß wir gar nicht so schlecht dastehen. Aber das will ja keiner wissen. Tatsächlich ist unser Problem nicht die Gewalt, sondern der schlechte Ruf, den wir haben, so daß uns Gewalt immer gleich zugeschrieben wird. Ich sage erstens: Leute seid bei eurer Betrachtung doch bitte mal realistisch! Und zweitens, schaut euch doch mal die tatsächlichen Zahlen an! Dann sieht die Sache nämlich ganz anders aus.

Sie argumentieren, tatsächlich seien die Hells Angels Opfer der Medien und der Polizei.

Django: Wenn Sie sich, wie gesagt, die Fakten einmal unvoreingenommen anschauen, dann werden Sie verstehen, warum wir davon sprechen, tatsächlich Opfer von Verleumdungsstrategien und Hetzkampagnen zu sein – die viele von uns übrigens bis hinein in die Familien und an unsere Arbeitsplätze betrifft. Dagegen müssen wir uns wehren!

Warum werden Sie Ihrer Ansicht nach verleumdet?

Django: Weil unser Ruf traditionell schlecht ist, glaubt man, man müsse uns gegenüber keine Fairneß walten lassen. Wenn es um Rocker geht, belügen und täuschen Behörden und Polizei die Bevölkerung ohne mit der Wimper zu zucken! Wenn ich als Journalist etwa hören würde, man habe ein „Waffenlager“ der Hells Angels gefunden, wäre ich ganz vorsichtig. Zum Beispiel: Wenn etwa eine Kneipe durchsucht wird, holen die Beamten sämtliche Messer aus der Küche und nennen das dann ein „Waffenlager“. Ich kann Ihnen schwarz auf weiß einen Fall präsentieren, der in Berlin vor Gericht landete und in dem ein Gegenstand als verbotene Waffe beschlagnahmt wurde. Wissen Sie, was das für ein Gegenstand war? Ein gottverdammter Kugelschreiber! Oder Personenkontrolle: Da stehen dann zwei Beamte mit gezogener Waffe und einer sagt: „Gib mir deinen Ausweis, du Arsch!“ Und wenn der Hells Angel dann entgegnet: „Du nennst mich Arsch?“, sagt ein Polizist zum anderen: „Hast du gehört, der hat mich Arsch genannt.“ Und schon gibt’s die nächste Anzeige. Ein beliebtes Spielchen in Berlin.

Haben Sie folglich das Leben als Rocker nicht manchmal auch satt?

Django: Nein, denn je öfter ich das erlebe, um so mehr werde ich dagegen ankämpfen. Ich werde ganz sicher niemals aufgeben. Und wenn es in diesem Leben nicht mehr reicht, dann mache ich eben im nächsten weiter!

 

Rudolf „Django“ Triller, „Ich bin in Süddeutschland geboren und habe beruflich mit dem Internet zu tun“, mehr will Rudolf Triller, der in der Rockerszene nur „Django“ heißt, nicht sagen, „weil mir das zu gefährlich ist“. Tatsache ist, der 58jährige Vizepräsident des „Charter West Side“, wie sich die Hells Angels in Bremen nennen, gilt als bundesweiter Sprecher des Rockerclubs. Gewalt komme vor, räumt Triller ein, betont aber, die Hells Angels seien nicht kriminell. Auf ihrer Netzseite nimmt die Gruppe zu einzelnen Vorwürfen ausführlich Stellung. In seinem Bildband „Die letzten Krieger. Deutsche Hells Angels im Fokus“ hat der Fotograf Lutz Schelhorn die Rocker porträtiert. Schelhorn, der auch im Stern, Focus oder der Stuttgarter Zeitung veröffentlicht, ist Präsident der Hells Angels Stuttgart.

www.hellsangelsmedia.com

Foto: Hells Angels protestieren mit einem Motorradkorso gegen das Verbot von Rockerclubs: „Geht es um Rocker, belügen Polizei und Behörden die Bürger ohne mit der Wimper zu zucken“

 

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