© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  39/12 21. September 2012

Männer sind überflüssig ...
... und Frauen die schlechteren Jazzmusikerinnen: Erklärversuche des Sozialpsychologen Roy Baumeister
Ellen Kositza

Die Liste an Büchern über Geschlechterthemen ist schon deshalb endlos, weil das Thema Mann und Frau jeden betrifft. Wir können nicht aus unserer Haut, aus unserem angeborenen Geschlecht. Diesen Umstand gilt es zu kultivieren – oder zu relativieren. Die zeitgenössische Wissenschaft widmet sich unter dem Leitmotiv „gender“ – das „soziale Geschlecht“ fokussierend – letzterem. In der populären Sachliteratur hingegen streitet man noch darüber, ob es womöglich angeborene Unterschiede gäbe, und zwar teils – siehe die Rufmordkampagne gegen Eva Herman – mit stählernen Bandagen.

Roy Baumeister ist als Sozialpsychologe mit umfänglicher Publikationsliste zwar Wissenschaftler. Daß sein aktuelles Buch für den interessierten Laien geschrieben wurde, verrät der einigermaßen populistische Titel: „Wozu sind Männer eigentlich überhaupt noch gut?“ Baumeister schöpft zur Beantwortung der Frage aus dem Fundus der Biologie, der Verhaltensforschung, er argumentiert historisch und anhand des empirisch Nachweisbaren.

Seinen Widerpart, dessen skeptischen, teils aggressiven Einwürfen er sich dabei stellt, nennt der Autor die „imaginäre Feministin“. Baumeister räumt ein, daß deren Positionen nicht in allen Fällen dem progressiven Stand der feministischen Wissenschaft entsprechen. Seine Pappkameradin steht vielmehr für weitverbreitete feministische Stereotype, für all jene Klischees über Männerherrschaft und Frauenunterdrückung, die heute Allgemeingut von Lieschen Müller und ihren Freundinnen sind. Wenn feministisch gestimmte Frauen „nach oben blicken, dann sehen sie überwiegend Männer. Daher kamen sie zu dem Schluß, daß Männer das Sagen haben und daß es eine tolle Sache sein muß, ein Mann zu sein. Die Gesellschaft war offenbar so eingerichtet, daß Männer von ihr profitierten.“ Baumeister will diesen (Irr-)Glauben aufdröseln.

Daß Baumeister erwähnt, von feministischen Wissenschaftlerinnen „stark beeinflußt“ zu sein, daß seine eigene Frau ihm bei den „sensibleren Themen“ des Buches geholfen hat und daß ihm viele Frauen nach ersten Vorträgen zu diesem Thema beifällig geschrieben haben: Das mag die „objektive“ Position des Autors stärken. Hier schreibt also kein Frauenfeind über die Stärken des Mannes, sondern ein generöser Herr, der betont, wieviel sympathischer ihm das weibliche Geschlecht sei. Anders als viele „Männerrechtler“ enthält sich der 59jährige auch der Opferpose. Der Autor ist offenbar keiner, der Pech mit Frauen hatte, keiner, der unter der Fuchtel stand, kein entmachteter Vater.

Die Kultur nutze Männer zu ihren Zwecken aus. Freilich würden Frauen auch benutzt, nur anders. „Die Kultur“ – Baumeister führt aus, was er unter diesem ominösen Machthaber versteht – will zweierlei: Reproduktion und Weiterentwicklung. Aus Sicht des „kulturellen Systems“ sind Männer leichter zu entbehren als Frauen. Zum Überleben einer Kultur wären theoretisch zahlenmäßig nur wenige Männer nötig, jedoch so viele Frauen wie möglich. Der Blick in die Geschichte zeigt, daß wir deutlich weniger Männer als Frauen als Urahnen haben. Mann mußte erfolgreich sein, um zeugen zu dürfen. Daher seien Männer stärker auf Wettbewerb und Leistung angelegt. Durch diese Anlage, siegen und triumphieren zu wollen, gibt es bis heute kein Land, in dem Frauen grundsätzlich mehr Autorität genießen als Männer.

Mittlerweile suchen Frauen Zugang zu männlichen Netzwerken, während von Männern umgekehrt nicht bekannt sei, daß sie sich für einen Zugang zu Frauennetzwerken einsetzen. „Das ist nicht verwunderlich, denn diese Netzwerke gibt es nicht“, schreibt Baumeister. Seit Jahrzehnten werden Frauen nicht daran gehindert, solche zu gründen. Sie tun es nicht, sie entfalten ihre (wertvollen, sagt Baumeister) Kräfte im intimen oder überschaubaren Rahmen. Sie gründen Unternehmen – in vielen Sparten häufiger als Männer –, die kein Mensch daran hindert, zu Großunternehmen zu werden. Frauen scheuen das Risiko. Kein Mensch hindert Frauen, Patente einzureichen, Entdeckerinnen zu werden oder Jazzmusikerinnen (für Baumeister ein Gipfel des kreativen Ausdrucks). Frauen haben möglicherweise ähnliche Fähigkeiten und Potentiale wie Männer, allein, ihnen fehlen Motivation, Interesse und der unbedingte Ehrgeiz.

Die Natur, so Baumeister, hat Männer seit je gezwungen, aufs Ganze zu gehen. Daraus resultieren bis heute viele „Topleister“ – und viele Versager. Im Schnitt schneiden Frauen auf den meisten Gebieten gleich gut ab. Sie sind aber in jeder Hinsicht weniger extrem; es gibt mehr männliche Hochbegabte, ebenso mehr männliche Debile. Baumeister nennt passable – wenn auch selten neue – Beispiele, „wozu Männer eigentlich überhaupt noch gut sind“ und wie manch weibliche Aufgeregtheit behutsam beruhigt werden könnte.

Leider geht ihm der Gaul in zweierlei Hinsicht durch: Er gerät ins Schwätzen. Viele Sachverhalte werden dutzendfach beschrieben – gilt solche Redundanz nicht als eigentlich weibliche Eigenschaft? Der Rhythmus des Ewiggleichen – das ist der Takt, den doch Frauen qua Natur lebten! Und: Spätestens im Kapitel über Sex wird Baumeisters anfänglich charmante Großzügigkeit zum herabsetzenden Gedöns. Mag sein, daß der männliche Sexualtrieb von Frauen grotesk unterschätzt wird. Baumeister wird nicht müde zu betonen, daß Männer vor allem auf eines aus sind: auf möglichst viel Sex. Ist es aber tatsächlich ungerecht, daß sie – bei solch gigantischem Trieb! – für einzelne sexuelle Vergehen bestraft werden, anstatt daß sie für ihre Beherrschung in tausend Fällen belohnt würden? Ist es wirklich lobenswert, daß die sexuelle Befreiung es dem Mann ermöglicht hat, seine Frau gegen eine junge auszutauschen?

Nicht zuletzt scheint an einigen Beispielen durch, daß man „biologische Gegebenheiten“, die Jahrhunderte wirksam waren, sehr wohl hintergehen kann, ohne daß es – vordergründig – hochproblematisch wird. Daß Sex längst – und zwar auch zum Nutzen der Männer – von der Fortpflanzung abgekoppelt ist, ist das eine. Das andere ist, daß Baumeister in typisch amerikanischem Duktus schreibt. In einer längeren Passage beschreibt er, wie sein Vater Rudi als Deutscher im Zweiten Weltkrieg kämpfte. So ändern sich die Dinge, die Artikulationen und die Umstände. Menschen passen sich an.

Längst ist es nicht mehr eine Auswahl der „Besten“, die zeugt. Was – Baumeisters biologische Beweisführung beim Wort genommen –, wenn all die tapferen Krieger, die ehrgeizigen und unermüdlichen Männer, Generation für Generation stärker ins (quantitative) Hintertreffen gerieten? Die Unterschiede würden blasser. Die Anforderungen, auch das entgeht Baumeister, sind schon heute andere als zu Zeiten, als Rollentrennung evident war. Die Bedienung einer Tastatur, eines Telefons oder die Arbeit am Schalter erfordert keine Manneskraft mehr. Bedauern darf man das. Aber ist das nicht – Kultur?

Roy Baumeister: Wozu sind Männer eigentlich überhaupt noch gut? Wie Kulturen davon profitieren, Männer auszubeuten. Verlag Hans Huber, Bern 2012, gebunden, 304 Seiten, 24,95 Euro

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