© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  39/12 21. September 2012

„Von einer brausenden Menge überschwemmt“
Suche nach Harmonie in angespannten Verhältnissen: Das Kunstmuseum der Stadt Luxemburg präsentiert Meisterwerke der Sammlung des aus Siebenbürgen stammenden Samuel von Brukenthal
Sebastian Hennig

Nach dem Sieg über die Türken vor Wien wurde das kleine Fürstentum Siebenbürgen österreichischer Herrschaft unterstellt. Die Habsburger regierten Transsilvanien, das Land hinter den Wäldern, in ihrer Eigenschaft als ungarische Könige. Das verlief nicht immer reibungslos. Die Hinterwäldler, denen es selbst unter dem osmanischen Protektorat gelungen war, ihre Unabhängigkeit zu erhalten, beargwöhnten die neue westliche Bürokratie. Den Siebenbürger Sachsen fiel bei der Vermittlung eine besondere Bedeutung zu.

Mit Samuel von Brukenthal wurde 1777 zum ersten und einzigen Mal ein Vertreter dieser Volksgruppe zum Gouverneur von Siebenbürgen bestellt. Für die Wertschätzung des Mannes zeugt die Tatsache, daß er auf dem Sockel des Denkmals der Kaiserin Maria Theresia am Wiener Ring in der Gesellschaft von Reichshofrat von Kaunitz, Staatskanzler von Haugwitz und anderen brillanten Köpfen dieser Epoche vorgeführt wird. Sein Vater Michael Brekner war Königsrichter in Leschkirch und wurde erst 1724 als „von Brukenthal“ in den Adelsstand erhoben. Der Sohn studiert in Halle, wo er eine Loge gründet, als deren Meister er auf einer Gedenkmedaille von 1744 figuriert. Im Kostüm der Zeit lehnt er an einem riesigen Globus und hält ein Lot in der Rechten.

Diese Erdverbindung und Ausgewogenheit wirkt wie eine Vordeutung auf sein Geschick, zwischen habsburgischer Reformpolitik und sächsischen Privilegien zu vermitteln. Als Teilnehmer einer siebenbürgischen Delegation fällt er der Kaiserin Maria Theresia auf und wird Gesandter seines Heimatlandes am Wiener Hof. Die siebenbürgische Hofkanzlei stattet er nach dem Vorbild der Zeit mit Gemälden, Kupferstich-, Mineralien- und Münzsammlung aus.

Als er zum kaiserlichen Gouverneur in Hermannstadt ernannt wird, begleiten ihn diese Schätze in die neue Residenz. Mit dem Amtsantritt Josephs II. spitzt sich der Reformeifer der Habsburger zu und versetzt den Baron in einen Loyalitätskonflikt zwischen freiem Sachsentum und Kaisertreue.

In seine Amtszeit fällt ein blutiger Bauernaufstand, an dessen Niederschlagung er aber wenig Anteil hat. Die Leibeigenschaft wird aufgehoben, das Land vermessen und die Abschaffung von Adelsprivilegien vorbereitet. Der Gouverneur führt gegen die egalitären, aufklärerischen Wunschbilder des Kaisers die alten Sonderrechte der Siebenbürger Sachsen ins Feld und gibt zu bedenken, wie deren Volk, „wenn der Damm, der die Vermischung zurückhält, einmal gerissen ist, von einer brausenden Menge überschwemmt ...“ würde. Joseph II. untersagt, fortan in den Berichten eine „sächsische Nation“ überhaupt zu erwähnen, und fordert, ausschließlich von „Siebenbürgern“ zu sprechen.

Brukenthals politische Wirksamkeit mündet in ein kulturelles Vermächtnis, das bis heute nachwirkt. Er läßt die Sammlung in seinem Palais am Großen Ring der Öffentlichkeit zugänglich machen und übereignet sie nach dem Aussterben der männlichen Nachkommen seiner Familie dem evangelischen Gymnasium von Hermannstadt. 1817 wird das Museum eröffnet, und 1872 geht es in den Besitz der evangelischen Kirche über. 1948 erfolgt die Verstaatlichung, und erst 2005 kommt es zur Rückübereignung.

Inzwischen ist eine kluge Mischverwaltung tätig, um den Unterhalt der Einrichtung zu sichern: Die museale Betreuung erfolgt weiterhin durch die staatlichen Institutionen, während die evangelische Kirche durch den Verwaltungsrat Einfluß ausübt.

Die Hauptwerke der Brukenthalschen Sammlung sind derzeit in der Villa Vauban in Luxemburg ausgestellt. Die Fassade der Stadtvilla von 1873 mit ihrer neobarocken Lisenengliederung ist der Erscheinung des hundert Jahre älteren Brukenthal-Palais gar nicht so unähnlich. Eines der wertvollsten Stücke ist die „Kreuzigung“ aus dem schmalen Werk des Antonello da Messina. Zugleich mit einigen anderen Schätzen der Sammlung wurde das Gemälde für lange Zeit zur Anreicherung des rumänischen Hauptstadtmuseums nach Bukarest verschleppt.

Der sizilianische Meister brachte die Ölmaltechnik in Venedig auf. Ob er sich dafür, wie Vasari in Umlauf setzte, selbst auf den weiten Weg bis nach Flandern machte, über andere Anregungen verfügte oder selbst probierte, darüber läßt sich gut sinnieren angesichts von Jan van
Eycks „Mann mit der blauen Sendelbinde“ (1430). Die fürstliche Kopfbedeckung des Goldschmieds ist passenderweise vom Meister in kostbarem Lapislazuli ausgeführt.

Geheimnisvolle Einkehr bestimmt auch das Stifter-Doppelporträt von Hans Memling. Ein „Ecce Homo“ von Tizians Hand, mit breiter Brust und geröteten Augen, ein unbefangen offenherzig blickender Knabenkopf von Veronese, ein hingestreckter Hieronymus von Lorenzo Lotto und zwei ekstatische Allegorien des Alessandro Magnasco bilden den Höhepunkt der italienischen Schule. Die Holländer sind mit qualitätvollen Bildern von Mieris, Wouwermann und Teniers d. J. vertreten. Eine atemberaubend ähnliche Replik Pieter Breughels des Jüngeren von „Der Bethlehemitische Kindermord“ seines Vaters wurde vor der Ausstellung restauriert und die Holztafel dabei vom Korsett einer rückseitigen Parkettierung befreit. Das Originalwerk des älteren Breughel wurde vor dem Verkauf an Kaiser Rudolf II. von diesem zu einer „Plünderszene“ abgemildert. Auf der zuvor entstandenen Replik finden sich dagegen noch Anspielungen auf das Wüten von Herzog Albas Truppen in den Südniederlanden.

„Das Wunderkammerregal“ (1666) des Johann Georg Hinz ist eine Sammlung jener Zeit im kleinen. In die gleichmäßigen Regalfächer sind kostbare Waffen, Kunststücke und Naturwunder zu einer feierlichen sprechenden Ordnung versammelt. Ein lange Zeit umstrittenes Gemälde von Lucas Cranach d. Ä., dem einerseits die manieristische Werkstatt-Arbeit der späten Jahre anzusehen ist, weist andererseits in der Hintergrundlandschaft einen verblüffenden Anklang an das ungestüme Frühwerk des Malers auf. Eine genaue naturwissenschaftliche Erkundung wird dem uneinheitlichen Bild sein Geheimnis schon noch entreißen. Vielleicht stand die Tafel viele Jahrzehnte in der Werkstatt, bis sie für einen Auftrag völlig umgearbeitet wurde. Private Gegenstände des Barons, Gemmen, Münzen, heimische Mineralien und Kupferstiche geben der Präsentation etwas von der eigentümlichen Handschrift des Sammlers zurück.

Die Ausstellung „Breughel, Cranach, Tizian, van Eyck – Meisterwerke aus der Sammlung Brukenthal“ ist noch bis zum 14. Oktober in der Villa Vauban – Musée d´Art de la Ville de Luxembourg, 18, avenue Emile Reuter, täglich außer dienstags von 10 bis 18 Uhr, freitags bis 21 Uhr, zu sehen.

Der im Deutschen Kunstverlag erschienene Katalog mit 208 Seiten und 212 farbigen Abbildungen kostet 29,90 Euro.

www.villavauban.lu

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